Phantombild aus dem Röhrchen

Eine neue Methode der DNA-Analyse erlaubt Rückschlüsse auf Alter und Aussehen von Personen – noch ist das Verfahren jedoch zu unzuverlässig und zu teuer.

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Von
  • Denis Dilba

Haar-, Haut- und Augenfarbe, Körpergröße oder Alter aus einer DNA-Spur auszulesen, könnte die Aufklärung vieler Straftaten stark erleichtern. Da sind sich die Polizeivertreter einig. Doch die Strafprozessordnung untersagt die Bestimmung von Körpermerkmalen aus dem Erbgut ausdrücklich. Und mit dem heute standardmäßig eingesetzten Verfahren ist das auch gar nicht möglich.

Der genetische Fingerabdruck wird nämlich aus nicht-codierender DNA erstellt, also aus Teilen des Erbguts, die keine Informationen über Körpermerkmale enthalten. Die Polizei hofft deshalb nicht nur auf eine baldige Gesetzesänderung, sondern testet längst auch eine neue DNA-Analysemethode: das Next Generation Sequencing (NGS). Es liest auch die codierenden Erbgutabschnitte aus und ermöglicht so Aussagen über das Aussehen und das Alter von Personen. Künftig könnte ein Phantombild also aus der Genanalyse entstehen.

TR 2/2017

(Bild: 

Technology Review 2/17

)

Dieser Artikel stammt aus dem Februar-Heft von Technology Review. Weitere Themen der Ausgabe:

"Die Technik bietet zweifelsohne faszinierende Möglichkeiten", sagt Carsten Hohoff vom Institut für forensische Genetik in Münster. "Aber bei NGS müssen noch viele offene Fragen beantwortet werden." Die wichtigste: Hilft es wirklich, wenn die Ermittler wissen, dass ein gesuchter Täter eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit auf blonde Haare und blaue Augen hat? Andreas Fesefeldt, Dezernatsleiter für DNA-Analysen im Kieler Landeskriminalamt, ist sich dieses Problems bewusst: "Das ist ein Fahndungsansatz, der wegen der Wahrscheinlichkeiten natürlich mit Umsicht behandelt werden muss." Dennoch hält er ihn für sinnvoll. Denn die Unsicherheit gelte ebenso für Aussagen von Augenzeugen.

In den Niederlanden und den USA sind solche auch DNA-Phenotyping genannten NGS-Verfahren bereits im Einsatz, meist allerdings nur, um Aussagen zu Haar-, Haut- und Augenfarbe zu bekommen. Von einem wirklich verlässlichen DNA-Phantombild, das die Kopfmorphologie und Gesichtsproportionen mit hoher Wahrscheinlichkeit realistisch wiedergibt, ist man Hohoffs Einschätzung nach aber noch mindestens zehn Jahre entfernt. "Das ist derzeit Grundlagenforschung."

Unabhängig davon sei NGS auch keine eierlegende Wollmilchsau: Im Vergleich zum etablierten Verfahren benötigt man mehr und besseres DNA-Material – was nicht immer am Tatort vorhanden ist. Wenn es dort nicht kalt und dunkel ist, zersetzen UV-Licht und Enzyme in Blut enthaltene DNA innerhalb weniger Tage. Und selbst wenn entsprechende Erbgutsequenzen vorliegen, sind Fehler möglich, etwa durch Unachtsamkeit beim Umgang mit den Proben. Insbesondere am Tatort, bei der Sicherung von DNA-Spuren, könne es zu Verunreinigungen kommen, sagt Fesefeldt.

Das könnte sich auch im Fall Peggy zugetragen haben, bei dem die DNA des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt am Fundort der Leiche des 15 Jahre lang vermissten Mädchens gefunden wurde. Noch ist allerdings unklar, ob es sich wirklich um einen Fehler der Ermittler handelt, die Spuren werden derzeit noch einmal untersucht. Das Beispiel zeigt, wie die große Stärke neuer wie alter Analyseverfahren zur Schwäche werden kann: Wenige menschliche Zellen reichen für einen Nachweis aus. Eine weitere Einschränkung für NGS sind vorläufig noch die Kosten: Bekommt man den genetischen Fingerabdruck schon ab ungefähr 50 Euro pro Probe, kostet eine NGS-Analyse mindestens 5000 Euro.

Fallen die Preise jedoch, sieht Hohoff noch weitere Einsatzmöglichkeiten über DNA-Phantombilder hinaus: So könnte die DNA-Analyse von Mikroorganismen in einer Erdprobe vom Schuh eines Verdächtigen sicher beweisen, dass er am Tatort war. Australische Forscher haben zudem 2015 eine verwandte Methode entwickelt, um Sexualstraftäter zu überführen: Sie vergleichen die DNA der Bakterienstämme im Schamhaar des Tatverdächtigen und des vermeintlichen Opfers. Diese Bakterienstämme sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Finden sich Übereinstimmungen, kann der Geschlechtsverkehr auch dann nachgewiesen werden, wenn der Täter ein Kondom verwendet hat. Die Suche nach neuen Anwendungsbereichen für NGS sei in vollem Gange, so Hohoff: "Ich bin gespannt, wie sich das Feld entwickeln wird." (bsc)