Neuer Anlauf gegen das Altern

Forscher kennen einen Wirkstoff von der Osterinsel, der nachweislich das Leben verlängert – bislang nur bei Versuchstieren. Ein neu gegründetes Unternehmen soll jetzt die Übertragung auf Menschen erforschen.

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Von
  • Antonio Regalado
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Gibt es eine Pille, die Menschen jünger macht? PureTech Health aus Boston ist dabei, das herauszufinden. Wie das Unternehmen Ende März mitteilte, lizenziert es von Novartis zwei Wirkstoffmoleküle, um sie gegen altersbedingte Krankheiten einzusetzen. Dazu hat es das Start-up resTORbio gegründet. Geplant sind Tests dazu, ob die Wirkstoffe gealterte Immunzellen wieder verjüngen können.

Bereits getestet wurde bei Novartis ein Derivat von Rapamycin, einem Stoff, der erstmals in einem Bakterium von der Osterinsel, auch als Rapa Nui bezeichnet, entdeckt und danach benannt wurde. Dank seiner breiten Wirkung auf das Immunsystem wird Rapamycin in der Transplantationsmedizin bereits als Immunsuppressivum eingesetzt; eine Variante davon verkauft Novartis auĂźerdem unter dem Namen Afinitor als Medikament gegen Krebs.

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Noch interessanter an Rapamycin aber ist, dass es im Ruf steht, die sicherste Methode zur Verschiebung des Todes zu sein, jedenfalls bei Versuchstieren. Es verlängert das Leben von Fliegen, Würmern und Nagetieren. Mäuse, die den Stoff bekommen, leben im Durchschnitt 25 Prozent länger. In Seattle läuft derzeit eine Studie zur Klärung der Frage, ob Rapamycin auch bei Hunden lebensverlängernd wirkt.

Was es noch nicht gibt, sind Studien darüber, ob Rapamycin oder irgendein anderes Medikament auch das Leben von Menschen verlängern kann. Unternehmen waren bislang aus vielen Gründen nicht allzu sehr daran interessiert, Mittel gegen das Altern zu entwickeln. Unter Wissenschaftlern gelten Tabletten für Langlebigkeit als extravagante Idee, als Domäne von Sonderlingen und Quacksalbern. Aus Sicht der klinischen Praxis ist es schwierig, zu beweisen, dass ein Medikament das Leben verlängert, denn das würde zu lange dauern. Und regulatorisch gesehen gibt es keinen klaren Weg nach vorn, weil Altern bislang nicht als Krankheit gilt, die zu behandeln wäre.

Forscher bei Novartis haben ihr Medikament mit dem Namen Everolimus bei Hunderten von älteren Patienten in Australien und Neuseeland getestet, kurz bevor sie eine Grippe-Impfung bekamen. Wie das Team feststellte, reagierte das Immunsystem der Probanden anschließend stärker – wie bei deutlich jüngeren Menschen, könnte man sagen.

Brian Kennedy, der sich am Buck Institute mit Alterung beschäftigt, bezeichnet diese Novartis-Studie als "bahnbrechend", denn sie habe eine Möglichkeit aufgezeigt, die Wirksamkeit von Mitteln gegen das Altern zu erfassen. "Niemand hat genügend Ausdauer für Langlebigkeitsstudien", sagte er vergangenes Jahr in einem Interview. "Man kann es aber so machen wie Novartis: Man nimmt eine Folge des Alterns und prüft, ob man sie verlangsamen kann."

Novartis gibt an, bald weitere Ergebnisse aus seinen Studien zu Alterung veröffentlichen zu wollen. Allerdings hat das Unternehmen bereits beschlossen, dass diese Forschung nicht zu seinen Prioritäten passt. "Wir stellen die Entwicklung für altersbedingte Krankheiten ein", sagt Jeffrey Lockwood, ein Sprecher bei Novartis. "Sie liegt außerhalb unserer aktuellen Strategie."

Stattdessen wurde das Programm im Austausch gegen eine Beteiligung an dem neuen Unternehmen an PureTech verkauft, das vorerst 15 Millionen Dollar fĂĽr die Finanzierung von resTORbio bereitstellt.

Chen Shor, CEO des Start-ups, will nichts Näheres darüber verraten, wie es vorgehen wird – nur dass die Basis die Daten von Novartis sein werden. "Wir gehen sehr pragmatisch vor und konzentrieren uns auf Indikationen, bei denen wir hoffen, eine Zulassung für diese Wirkstoffe zu bekommen, weil Daten zeigen, dass sich damit die nachlassende Funktion des Immunsystems verändern lässt", erklärt er.

Das Start-up soll die Novartis-Wirkstoffe nutzen, um die so genannte Immunoseneszenz umzukehren, also Schädigungen des Immunsystems, die sich mit zunehmendem Alter einstellen. Zum Teil kann das den Versuch bedeuten, bestimmte Arten von T-Zellen wiederherzustellen, die Erschöpfungserscheinungen zeigen und nicht mehr hinreichend auf Krebs und Infektionen reagieren. "Sie werden alt und knurrig, bleiben aber noch da und geben pro-inflammatorische Zytokine ab, und das hat Folgen für die Gesundheit", erklärt Joseph Bolen, Chefwissenschaftler von PureTech.

Rapamycin wirkt auf den so genannten mTOR-Komplex, einen Satz von Genen, der eine grundlegende Rolle bei der Regulierung des Zellstoffwechsels spielt. Wenn mTOR blockiert wird, können Zellen in einen lebensverlängernden Überlebensmodus geraten. Das Gleiche ist mit einer Reihe von anderen Tricks möglich, bei Tieren unter anderem mit stark kalorienreduzierter Ernährung. Den Vorteil von Rapamycin sieht Bolen darin, dass es klassisch als Medikament verabreicht werden könnte: "Ich glaube, das ist eine praxisgerechte Vorgehensweise. Die Biologie lehrt uns, dass das, was bei vielen anderen Arten beobachtet wurde, möglicherweise auch bei Menschen funktionieren wird."

(sma)