China: Internet-Aktivist wegen "Subversion" vor Gericht

Chinesische Webseiten-Betreiber befürchten: "Was heute mit Huang Qi geschieht, geschieht morgen mit uns."

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Von
  • Monika Ermert

Am Dienstag wurde in Chengdu in der Volksrepublik China der Prozess gegen den chinesischen Netz-Aktivisten Huang Qi eröffnet. Nach 258 Tagen in Haft soll dem 36-jährigen nun wegen der "Anstiftung zu Subversion gegen die Staatsmacht" der Prozess gemacht werden. Kurz vor dem Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni war der Betreiber der Internetseite 6-4tianwang.com verhaftet, seine Computer beschlagnahmt und sein Büro ausgeräumt worden. Seither hatte Huangs Familie keinen direkten Kontakt mehr zu ihm. Laut einem Bericht von CNN endete der erste Verhandlungstag kaum, dass er begonnen hatte, auf Grund des schlechten Gesundheitszustands von Huang. Huangs Angehörige und ausländische Beobachter sind von dem Verfahren ausgeschlossen.

Huang habe, so heißt es in den Klagevorwürfen der Staatsanwaltschaft, zwischen März und Juni vergangenen Jahres auf seiner Seite Foren mit den Titeln Tianwang Suchdienst, Trends, Aufgelesen im Web und China aus der Distanz betrieben und dort unter anderem Das politische Programm der Chinese Democracy Party (CDP), Die Erklärung der CDP zum 11. Jahrestags des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens und Das Bewusstsein für die Unabhängigkeit der Uiguren in Xinjiang veröffentlicht.

Eine ganze Liste weiterer "subersiver" Materialien führt die Anklageschrift auf, vor allem zum Thema Tiananmen und Menschenrechte, etwa einen Amnesty-Bericht zur Menschenrechtssituation in China. Man habe ausreichende Beweise für diese "Verbrechen", heißt es in der Anklageschrift, die die Artikel 103 und 105 des Strafgesetzbuchs der Volksrepublik China erfüllten. Artikel 103 betrifft sezessionistische Aktionen, Artikel 105 den "Umsturz des sozialistischen Systems"; beide Tatbestände können mit Gefängnisstrafen bis zu lebenslänglich bestraft werden.

Die Anklage zeigt, dass die chinesischen Gerichte sich nicht lang mit neuen Straftatbeständen für das Internet aufhalten, sondern mit dem Strafgesetz bereits bestens ausgerüstet sind. Immerhin ist in der Anklageschrift zwischen "Veröffentlichen", "Herausgeben" und "Link setzen" unterschieden. Ob diese Differenzierungen im Prozess eine Rolle spielen, muss abgewartet werden. Es ist unklar, ob Huang überhaupt selbst Autor auch nur eines der inkriminierten Texte ist. Die Chinese Democratic Party hat eine Erklärung veröffentlicht, dass sie Autor der Parteischriften sei und diese nicht nur auf Huangs, sondern auch in vielen anderen chinesischen Foren veröffentlicht habe.

Auf der Webseite, die ursprünglich vor allem der Suche nach vermissten Jugendlichen und Berichten über von Schleppern betrogene und misshandelte Arbeiter gewidmet war, diskutieren inzwischen Huangs Unterstützer und Kritiker, die sich die Einmischung des Auslands verbitten. Gehostet wird die chinesisch- und englischsprachige Seite inzwischen in den USA. Noch immer läuft dort auch eine Umfrage zur Einschätzung des Vorgehens der chinesischen Behörden.

Die Kommentare reichen von "Wir sollten Huangs Fall allen 20 Millionen Internetnutzern in China mitteilen, das fürchtet die Partei am meisten" über den Aufruf nach Aufmerksamkeit im Ausland bis zu Beschimpfungen Huangs als "american dog". "Was heute mit Huang geschieht, geschieht morgen mit uns", schreibt ein Besucher. "Jeder Administrator einer Webseite kann morgen vor Gericht gestellt werden." (Monika Ermert) / (jk)