Fluggäste als Risikogruppen: EU-Kommission fördert neues Big-Data-Projekt
Mit Flysec sollen laut Bundesregierung Passagiere an Flughäfen rascher "in verschiedene risikoorientierte Gruppen" eingeteilt werden können. An dem "Bevölkerungsscanner" sind neben deutschen auch israelische Einrichtungen beteiligt.
Die EU-Kommission fördert über Rahmenprogramme wie Horizont 2020 derzeit zwölf Forschungsprojekte, mit denen die Überwachung und die Kontrolle von Reisenden an Flughäfen ausgeweitet oder automatisiert werden soll. Dies geht aus einer jetzt vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Darunter ist die Initiative Flysec ("Optimising time-to-fly and enhancing airport security"), mit der personenbezogene Profile von Flugreisenden mithilfe von "Big Data-Analysen", "Open-Source Intelligence" und "Crowdsourcing" erstellt werden sollen.
Nach Kenntnis des federführenden Bundesforschungsministeriums hat das mit rund vier Millionen Euro von der Kommission unterstützte Projekt das Ziel, "die Effizienz auf Flughäfen zu erhöhen, indem die Passagiere in verschiedene risikoorientierte Gruppen eingestuft werden". Damit solle es möglich werden, die "Intensität des Kontrollverfahrens" anzupassen. Spezifische Methoden und Technologien, mit denen Fluggäste und Handgepäck selbst durchleuchtet würden seien aber "nicht Gegenstand des Projekts".
"Keine weitergehenden Erkenntnisse"
Über die in Flysec laut den Beteiligten erforschten Methoden zur Videoüberwachung sowie eingesetzte Verfahren zur intelligenten Auswertung von Bewegtbildern, zur biometrischen Identifikation und für RFID-Chips im Gepäck liegen der Regierung so nach eigenen Angaben "keine weitergehenden Erkenntnisse" vor. Auch über dabei getestete "innovative kognitive Algorithmen" wisse sie nichts. In Widersprüche verstrickt sich das Forschungsressort in der Frage, inwieweit die Bundespolizei eingebunden ist: zunächst schreibt es, dass dies nicht der Fall sei. Später räumt das Ministerium ein, dass zumindest ein Vertreter der Polizeibehörde "auf Bitten der Generaldirektion Migration und Inneres der EU-Kommission" das Vorhaben als Gutachter begleite.
Kein Geheimnis macht die Regierung darum, dass die Berliner Firma Embry-Riddle Aeronautical Deutschland sowie das Luftsicherheitsforschungszentrum European Aviation Security Center (EASC), das am Flugplatz Schönhagen in Brandenburg sitzt, an Flysec beteiligt sind. Über deren Beiträge habe man aber ebenfalls keine weitergehenden Informationen. Laut der Projekt-Webseite gehören zu den Partnern zudem etwa der israelische Rüstungskonzern Elbit sowie die aus dem gleichen Land stammenden Dienstleister Emza Visual Sense und Smartech.
"Alptraum für den europäischen Datenschutz"
Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Linksfraktion, kritisiert die Initiative scharf gegenüber heise online. Ein vergleichbares Verfahren werde bereits an israelischen Flughäfen eingesetzt und stoße dort auf Widerstand "wegen rassistischem Profiling", meint der Abgeordnete. Dass ein solcher "Bevölkerungsscanner" nun in der EU Einzug halte, müsse verhindert werden. Die Bundespolizei dürfe das Projekt, bei dem möglichst viele Daten aus Sensoren mit Resultaten einer Verhaltensanalyse der Passagiere zusammengeführt würden, nicht unterstützen. Flysec sei "ein Alptraum für den europäischen Datenschutz" und erinnere an das Überwachungsprojekt Indect, gegen das Aktivisten Sturm gelaufen seien.
Offizieller Partner ist die Bundespolizei laut Regierung bei den laufenden Forschungsvorhaben XP-Dite, C-Bord, Polinex und Probex. Dabei sollen etwa Test für Grenzkontrollpunkte sowie andere Techniken rund um die Sicherheit von Flughäfen entwickelt werden. Andere deutsche Behörden, Firmen oder sonstige Einrichtungen nähmen zudem an den Projekten ABC4EU (ABC gates for Europe), Consortis (Concealed objects stand-off real-time imaging for security), Mesmerise (Multi-energy high resolution modular scan system for internal and external concealed commodities), Protect (Pervasive and user focused biometrics border project) und Terascreen (Multi-frequency multi-mode Terahertz screening for border checks) teil.
Ein Staatsgeheimnis
Von der EU gefördert werden ferner Initiativen wie Aces (Air cargo explosive screener), Bodega (Proactive enhancement of human performance in border control), Eurosky (Single European secure air-cargo space), Nespint (Neutron spectrometry to prevent illicit nuclear trafficking) und Spiders (Synthetic aperture interferometric radiometer for security in critical infrastructures). Wie viele Körperscanner welcher Hersteller und Typs mittlerweile an deutschen Flughäfen montiert sind, ist laut der Regierung ein Staatsgeheimnis. Die Frage könne daher nicht offen beantwortet werden. (axk)