Berliner Test für Videoüberwachung mit Gesichtserkennung soll bald starten

Das Bundesinnenministerium hat unter dem Aufhänger "Sicherheitsbahnhof" eine erste Skizze für ein Pilotprojekt mit neuen Überwachungsmethoden vorgelegt. Freiwillige Probanden werden noch gesucht.

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Überwachung

(Bild: Bundespolizei / Alexandra Stolze)

Lesezeit: 3 Min.

Trotz nachdrücklicher Proteste von Datenschützern halten das Bundesinnenministerium, die Deutsche Bahn, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt (BKA) daran fest, neue Formen der Videoüberwachung am Berliner Bahnhof Südkreuz zu erproben. Die behördenübergreifende Projektgruppe hat nach Angaben des Innenressorts ihre Pläne nun konkretisiert und sich darauf verständigt, separat zwei Testszenarien durchzuführen. Die Initiative selbst taufte sie auf den Namen "Sicherheitsbahnhof".

Zum einen soll es demnach einen Pilotversuch mit Systemen zur automatisierten biometrischen Gesichtserkennung geben, für den die beiden Polizeibehörden allein verantwortlich sind. Der Beginn dieses Feldtests ist laut dem Ministerium für das dritte Quartal 2017 vorgesehen, sein Ende nach spätestens sechs Monaten. Für das Vorhaben würden derzeit Probanden geworben, "aus deren Lichtbildern eine Datenbank zum Abgleich erstellt wird". Ob dafür überhaupt Freiwillige aus der Bevölkerung akquiriert werden sollen, lässt das Ressort offen. Sonst müssen wohl Vertreter der beteiligten Sicherheitsbehörden selbst ihr Gesicht dafür hinhalten.

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder hatte Tests zur Videoüberwachung mit biometrischer Gesichtserkennung jüngst für rechtswidrig erklärt. Die bestehenden Normen erlauben es demzufolge nicht, technische Mittel für Datenverarbeitungen zu nutzen, die über reine Bildaufnahmen hinausgehen und mit "deutlich intensiverem Grundrechtseingriff" verknüpft sind. Auch ein Pilotbetrieb dürfe daher nicht erfolgen.

Das Innenministerium hält dagegen, dass ein eigenes Datenschutzkonzept für das Südkreuz erarbeitet worden sei. Dieses sehe "umfassende Hinweise auf den Test, leichte Ausweichmöglichkeiten für Bahnreisende und umfassende Löschpflichten vor". Die Freiheit, sich anonym in der Öffentlichkeit bewegen zu können, soll so offenbar nicht ungebührlich eingeschränkt werden.

Für eine konkrete Software zur Gesichtserkennung hat sich das Ressort noch nicht entschieden. Mehrere Hersteller "sollen hierfür zeitnah ausgewählt werden", heißt es. Das BKA hatte sich vor Kurzem die Software "Examiner" von Cognitec Systems beschafft. Diese erlaubt auch einen Abgleich von Fotos, die mit Mobilgeräten aufgenommen werden, mit zentralen Lichtbilddateien. In einem anderen Projekt zur "videobasierten Personenwiedererkennung" an Flughäfen arbeitet das Ministerium mit L-1 Identity Solutions zusammen.

In einem zweien Szenario für das Südkreuz, das die Partner gemeinsam verantworten, sollen mithilfe eines "intelligenten Videoanalysesystem" verschiedene Gefahrenszenarios schneller erkannt und ausgewertet werden können. Dabei geht es etwa darum, hilflose Personen oder stehengelassene Gegenstände wie Koffer automatisiert auszumachen und die Beobachter zu alarmieren. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) betonte, dass der "Einsatz von Videoüberwachungsanlagen schon heute zur Aufklärung von Straftaten beiträgt und das Sicherheitsbefinden unserer Bürger steigert". Die ins Visier genommenen Techniken könnten künftig "noch wesentlich bessere Ergebnisse bringen" und dürften so nicht vor den Sicherheitsbehörden halt machen. (axk)