Sapperlot: Spyware-Anbieter bedienen auch verbrecherische Kunden

Manche Anbieter von Überwachungstechnik nehmen es mit Exportbeschränkungen vielleicht nicht so genau. Sie nehmen in Kauf, dass ihre Geräte gegen Unschuldige eingesetzt werden. Das hat Al Jazeera aufgedeckt.

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Skultpuren der 3 weisen Affen auf einer Bank

Skulptur der drei weisen Affen in San Francisco 

(Bild: NLPD CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 3 Min.

Im angeblichen Auftrag des Iran, des Südsudan oder überhaupt anonymer Käufer haben Undercover-Journalisten Al Jazeeras ausgelotet, ob sie Überwachungstechnik kaufen können. Genügend Kleingeld vorausgesetzt, hätten sie wohl jede Menge IMSI-Catcher, aber auch Geräte zur Überwachung des Internetverkehrs eines ganzen Landes kaufen können. Die Verkäufer erklärten bereitwillig, wie sie Exportverbote umgehen würden – oder wollten erst gar nicht wissen, ob sie an unterdrückerische Regime, Terroristen oder andere Verbrecher verkaufen.

Al Jazeera wird vom Emirat Katar finanziert.

Das zeigen mit versteckten Kameras gemachte Aufnahmen, die der katarische TV-Sender dieser Tage im Rahmen seiner Dokumentation ausstrahlt. Die italienische Firma IPS zeigte sich demnach bereit, ein Internet-Überwachungssystem zum Preis von 20 Millionen Euro an den Iran zu verkaufen. Weil solche Technik für Demokratieaktivisten in dem Land den Tod bedeuten kann, verbieten UN-Sanktionen den Verkauf an den Iran.

Zur Umgehung hätte IPS sich der Schwesterfirma RESi bedient und das Überwachungssystem fälschlich als Traffic-Management-Gerätschaft deklariert. Die Hardware ist ja auch gleich; die Software macht den Unterschied. Von Al Jazeera offiziell mit den Enthüllungen konfrontiert, gab RESi an, die wahre Identität der Journalisten gekannt zu haben. In der Annahme, diese würden für einen Mitbewerber auftreten, sei bloß ein Scheinangebot gemacht worden. Tatsächlich aber würden alle Vorschriften eingehalten.

Beim ebenfalls italienischen Anbieter AREA hätten die nun als Unterhändler des Südsudan auftretenden Journalisten wohl IMSI-Catcher bekommen. Der Export solcher Überwachungstechnik aus der EU in das junge, von Menschenrechtsverletzungen gezeichnete Land ist nicht komplett verboten, benötigt aber Exportgenehmigungen. Um das zu umgehen, schlug ein AREA-Manager ein Umgehungsgeschäft vor: "Wenn ich eine Bestätigung eines Endnutzers, unterschrieben in Tansania, habe, Tansania das System dann aber dem Südsudan zum Geschenk macht, ist das etwas, was ich als Firma nicht kontrollieren kann."

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Die Bestellung sollte dennoch nicht bei AREA, sondern besser direkt bei der türkischen Fabrik BTT eingehen. Dort sollte die Lieferung dann ebenfalls falsch deklariert werden, nämlich als Testvorrichtung für Telekommunikationsnetze. BTT äußerte sich nach Offenlegung nicht mehr, AREA betonte gegenüber Al Jazeera, "mit den entsprechenden Regierungen zusammenzuarbeiten, um den korrekten Export und die legale Verwendung unserer Ausrüstung sicherzustellen."

Manager des chinesischen Anbieters Semptian wollten den Aufnahmen zufolge lieber nicht wissen, wer die Interessenten für gleich zehn IMSI-Catcher sein könnten. Die Geräte würden fälschlich als WLAN-Router deklariert. Und um eine Rückverfolgung zu erschweren, würden alle Logos und Markenzeichen entfernt. Nach Offenlegung reagierte auch Semptian nicht mehr. (ds)