Kommentar: Petitionen im Tagestakt

Das Internet ermöglicht vielfältiges Engagement für oder gegen etwas. Das fleißige Abzeichnen von Petitionen im Netz beruhigt zwar das Gewissen, bringt aber wenig. Denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es, meint c't-Redakteur Michael Link.

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Petition

Mit Petitionen kann man Anliegen aller Art an zuständige Stellen richten – ohne Anspruch auf eine Umsetzung allerdings.

(Bild: Nick Youngson, CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Michael Link

In einem meiner E-Mail-Postfächer für minder Wichtiges hat sich ein gewisser Mail-Rhythmus eingespielt. So schlagen dort Erinnerungen an vorzunehmende Rezensionen auf, im Wechsel dazu mehrfach erfolglos abgewählte Newsletter und immer häufiger Aufforderungen zur Stimmabgabe irgendwelcher Petitionsplattformen. Besonders letztere setzen mich unaufhörlicher Pein aus.

Denn sie machen mir ein schlechtes Gewissen, weil es mir so gut geht und anderen eben nicht: Giftgasangriffe auf Kinder, brutale Tierhaltung, Lobbyregister, Elbstrandradweg, eine miese TV-Sendung – alles schreit gleich laut, als ob es keine Unterschiede gäbe: "Tu was dagegen (oder dafür)!"

Das "Tun" beschränkt sich aber leider nur auf das Zeichnen der Petition. Anschließend noch einen Teilnahme-Link mit dem Freundeskreis teilen und so sozialen Druck aufbauen: "Du bist doch sicherlich auch dagegen (oder dafür)?" Schwupp, Gewissen erleichtert, nächste Petition, bitte, diesmal geht es gegen Glyphosat oder die französische Präsidentschaftskandidatin. Finde ich mies, das andere auch, also klick, weg damit, und schon habe ich etwas "getan". Nein, ich habe nur das schlechte Gewissen in mir besänftigt.

Ein Kommentar von Michael Link

Michael Link, c't-Redakteur, gebürtiger Rheinländer, testet gern, was mit Funk und Wearables zu tun hat. Ansonsten ist er leidenschaftlicher Taucher (auch als Lehrer), Funkamateur, Rennrad- und Mountainbike-Fahrer.

Echtes Engagement gegen Missstände ist jedoch mehr als nur irgendwo mal eben irgendwas zu unterschreiben. Es ist das Gegenteil von Leichtfertigkeit nötig. Vor der Unterschrift müsste man sich gründlich aus verschiedenen Quellen über den Petitionsgegenstand informieren. Nach der Zeichnung einer Petition sollte man in sich gehen und fragen, was man noch tun kann: Spenden vielleicht? Mit anpacken? Sich selbst an Entscheidungsträger wenden? Eine Demonstration organisieren oder an einer teilnehmen?

Vielen fehlt dazu im täglichen Kampf gegen die Uhr die Zeit und manchmal auch die Energie. Mal eben kurz die Welt retten, das geht einfach nicht. Was also tun? Ich selbst beschränke mich auf einige wenige Petitionen. Es gibt sie, die lohnenden Petitionen. Sie bieten Links zu tiefergehenden Informationen und Vorschläge, was man außer dem digitalen Krickelkrackel tun kann und sie sind an die richtigen Stellen adressiert, wollen also nicht bloß einen meist folgenlosen digitalen Aufschrei provozieren.

Mich wurmt, dass der Wust der Petitionen im Postfach mich leichter übersehen lässt, wo ich gern etwas tun möchte. Hier fehlt es zumindest an kuratierender Tätigkeit der Plattformen. Daher bin ich bald so weit und richte selbst eine Petition ein: gegen ins Kraut schießende Petitionen, für die digitale Unterschriftensammlungen das falsche Instrument sind. Zum Beispiel welche gegen den Regen (sinnlos, der hört nicht auf Petenten), eine TV-Sendung, die einem nicht gefällt (Zuschauerpost) oder meine Kommentare (dafür gibt's das Forum). (mil)