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Was war. Was wird. Vernunft oder Unvernunft, das ist die Frage.

Sein oder nicht sein? Ach, die vom großen Barden gedichtete Frage ist schon längst überholt, wenn es um erst einmal um die Vernunft geht. Die allenthalben mit Bauchgefühl und alternativen Fakten gemeuchelt wird.

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Was war. Was wird. Vernunft oder Unvernunft, das ist die Frage.

Schlafen die Vernünftigen, weil dann nix Schlimmes passiert, oder schläft die Vernuft, und wir müssen auf das Schlimmste gefasst sein? Bald wissen wir mehr. Vielleicht.

(Bild: skeeze, Public Domain (Creative Commons CC0))

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** That time of year thou mayst in me behold,
When yellow leaves, or none, or few do hang
Upon those boughs which shake against the cold,
Bare ruined choirs, where late the sweet birds sang.
In me thou seest the twilight of such day,
As after sunset fadeth in the west,
Which by and by black night doth take away,
Death’s second self that seals up all in rest.
In me thou seest the glowing of such fire,
That on the ashes of his youth doth lie,
As the death-bed, whereon it must expire,
Consumed with that which it was nourished by.
This thou perceiv’st, which makes thy love more strong,
To love that well, which thou must leave ere long.

Die Verdrahtung im Innern einer Cray. Von wegen Supercomputer.

Ja, der große Barde hat Geburtstag und so passt das 73. Sonett zum Abschied von der Idee der Demokratie in Europa, mit dem Segen von Donald Trump. Natürlich ist Shakespeare mit dabei, als Teil des europäischen Erbes, wenn der Franzos' in der tageszeitung über sein Land deklamiert: "Favoriten fallen in Ungnade, alte Parteien geraten ins Schwanken, die führende politische Klasse gerät in Panik, und die Franzosen sehen ihren Wahlschein wenige Tage vor dem Wahlgang an wie Hamlet den polierten Schädel in seiner Hand. Vernünftig sein oder nicht – das ist die Frage."

*** Wobei die Vernunft es gebieten würde, den Europa-Politiker Emmanuel Macron zu wählen, wie es Martin Walser den Franzosen vorschlägt, ganz im Fahrwasser von Daniel Cohn-Bendit. Aus französischer Sicht sieht freilich es anders aus, hier muss die dauernd twitternde Marine Le Pen im ersten Wahlgang gewinnen, wenn sie eine Chance auf die Regierungsmacht hat. Deswegen gilt an vielen Orten die Vernunft recht wenig und man ist im Zweifel rechts. "Hier träumen sie davon, Macron zu stürzen, bevor er überhaupt ins Amt gekommen ist. Und im Zweifel wählen sie dann Le Pen."

*** Ringsherum wird der Tag von Mutter Erde gefeiert, mit der Behauptung, dass unsere Kommunikation grüner und grüner wird. Es gibt Märsche für die Wissenschaft und gegen den Schlaf der Vernunft, da erscheint eine Zeit, in der Frankreich wieder begeistert Partant pour la Syrie gegen den Islam zu Syrien ins Feld ziehen könnte, nicht unbedingt erstrebenswert.

*** Glückliche Melinda und Bill Gates! Eine Ritterin und ein Ritter der Ehrenlegion zu sein, ist ihnen nicht vergönnt, doch die Auszeichnung mit dem Verdienstorden der Legion durch Präsident Hollande ist auch schon was. Unglückliche Pamela Anderson! Der von ihr präferierte Kandidat ist Luc Mélenchon, der ihrem Busenfreund Julian Assange Asyl versprochen hat und eine Zusammenführung der "jungen Familie" Assanges – genau wie Marine Le Pen. Mr Melenchon for President! S'il vous plait. Oder doch nicht.

*** Wenn das so einfach wäre. Schließlich ist die Regierung Trump dabei, Wikileaks den Pressetatus zu entziehen, mit dem die Regierung Obama die Whistleblower um Assange bedacht und dann links liegen gelassen hatte. Es gilt, die CIA-Scharte auszuwetzen, und so wird Julian Assange zu einem zweiten Philip Agee umgelabelt, stilecht mit Fake-News, die CIA-Chef Pompeo da in die Welt posaunt. Der Athener CIA-Chef Richard Welch, der 1975 erschossen wurde, wurde von dem ostdeutschen Journalisten Julius Mader enttarnt. Wie gut, dass heutzutage alles etwas einfacher geworden ist. Statt irgendwelcher Stationschefs irgendwo braucht man nur noch Digital Targeters, die in der Gegend um Washington arbeiten können und diesen finalen digitalen Rettungsschuss beherrschen, ganz ohne Dreck und Blut und Bombenknall.

*** Es gibt viele Filme, in denen Attentate und Börsenspekulationen eine wichtige Rolle spielen. Die Leerverkäufe im Bond-Film "Casino Royale" sind vielleicht das bekannteste Beispiel. Nun soll ein technisch begabter Einzeltäter das volle Programm beim Anschlag auf die Spieler von Borussia Dortmund durchgezogen haben. Mit Fernzünder Sprengfallen und ablenkenden Bekennerbriefen, dazu der Kauf von Börsenpapieren mit der Aussicht auf Fantastillionen Euro. Zu den erschreckenden Erkenntnissen des Mordanschlages muss man die Tatsache rechnen, dass die armen "Angesprengten" (so der soldatische Begriff) gleich am nächsten Tag spielen mussten, wegen genau der "wirtschaftlichen Notwendigkeit", auf die der Täter mit kapitalistischem Hintergrund spekulierte. Zurück bleibt die Frage, ob es sich bei der recht aufwändigen Aktion nicht um einen Testlauf der Wettmafia handeln könnte, für sich gesehen die größte Gruppe, die unter dem Label "Organisierte Kriminalität" zusammengefasst wird.

*** Wir leben bekanntlich in der Abstiegsgesellschaft, was selbst junge, gut ausgebildete Elektrotechniker nervös macht. Nach der jüngsten Shell Studie finden 71 Prozent der jungen Menschen, dass ein sicherer Arbeitsplatz "sehr wichtig" ist, weitere 24 Prozent halten das noch für "einigermaßen wichtig". Diesen 95 Prozent steht die schlichte Erkenntnis gegenüber, dass handfeste Roboter und diese überall auftauchenden geheimnisvollen "Algorithmen" in Zukunft viele Tätigkeiten übernehmen werden. "Wir werden nur noch gut bezahlt für etwas, was Computer oder Roboter nicht selbst können", sagt der Philosoph Gunter Dueck in der von Roboterbauer Kuka finanzierten + 3. Das hat Konsequenzen. Die Überflieger der StartUp-Szene sind längst durch ein Entre-Prekariat ersetzt, das sich mit staatlicher Förderung in Hubs zusammenfindet, immer im hübschen Abstand zum zauberhaften Hannover gelegen.

Was wird.

Damit ist diese kleine Wochenschau schwuppdiewupp in der Zukunft angelangt, denn die oberste Hub-Beauftragte Deutschlands, unsere Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries, wird am kommenden Mittwoch in Berlin mit der Microsoft-Chefin Sabine Bendiek im Rahmen der Global Cloud for Good über die "Demokratisierung künstlicher Intelligenz" sprechen. Ja Sapperlot, kann es denn bei der künstlichen Intelligenz eine gesellschaftliche Mitbestimmung geben? Eine künstliche Intelligenz ohne marktwirtschaftliche Interessen? Schöne neue Arbeitswelt? Oder bleibt alles, wie es ist, nur mit Internet-Anschluss im Großraumbüro?

Unter dem leicht irreführenden Titel Endstation Großraumbüro – Computern als Handwerk! startet zum nächsten Wochenschluss wieder einmal das Vintage Computing Festival Europe als handfeste Ergänzung zur Silicon Valley Revolution. Den 64er als Großraumbüro für Daheim zu deklarieren, ist jedenfalls gewagt. Als Highlight empfiehlt sich das genaue Gegenteil zu einem Großraumbüro, die Demonstration des Navigationssystems des Tornado-Kampffliegers, eine "archaische Kombination aus elektro-mechanischem, analog-elektronischem und digitalem Rechnen".

Gut geschnappt ist halb vernünftig geworden. Oder so.

(Bild: Christian Ristow, Maker Faire Berlin )

Archaisch ist das richtige Stichwort: Ich halte das weiter oben erwähnte Gerede vom "finalen digitalen Rettungsschuss" für einen ganz gefährlichen Blödsinn. Das Bild vom finalen Schuss suggeriert technisch unbedarften Gemütern, dass es eine schnelle, präzise, lethal wirkende Lösung auf all die Cybercyber-Gefahren geben könnte, mit der die herrschende Politik Angst schürt. Ziel ist es dabei immer, dass "kritische Infrastrukturen" als technik höher eingestuft werden als Systeme wie eine kritische Demokratie mit selbstbewussten Menschen. Gleich nach dem Treffen der traditionsbewussten Hobbyisten in München kommt die Elite der Cyberkämpfer bei der Cybercrime Conference (C³) des Bundeskriminalamtes und des German Competence Center against Cybercrime (4Cs!) in Berlin zusammen und bespricht, wie der finale digitale Rettungsschuss abgegeben werden kann. Shodan kommt es zum Showdown: Wer schießt schneller als sein oder Ihr Cyber-Schatten? Die Presse wird nach den Mittagshäppchen und Eingangsstatements ausgeschlossen. Da wünscht man sich, die Hand of Man würde die Schwindler greifen. (jk)