First Tuesday 2.0

Das globale Gründer-Netzwerk plant nach dem Ausverkauf den Neustart als Dienstleister für das "neue Unternehmertum".

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Die New Economy ist entzaubert, die "Wachstumsbörsen" auf dem Boden der Realität gelandet. Da schien es nur folgerichtig, dass eines der wichtigsten Symbole der New Economy – das weltweite Networking-Event First Tuesday – ebenfalls nicht verschont wurde. Nach dem Verkauf der Londoner Mutterfirma im Sommer an den in Israel beheimateten Inkubator Yazam für rund 50 Millionen US-Dollar waren bei zahlreichen ehrenamtlichen Organisatoren vor Ort bereits die Warnlampen angegangen. Als Yazam dann Ende vergangenen Jahres in Zahlungsschwierigkeiten kam und von der Firma US Technologies geschluckt wurde, schien auch das Schicksal von First Tuesday besiegelt.

Doch die lokalen Veranstalter des inzwischen in 120 Städten auf fünf Kontinenten stattfindenden Get-Togethers von Gründern, Geldgebern und "Beratern" wollten sich mit dem Aus der Treffen, die immer am ersten Dienstag im Monat stattfinden und die sich viele Durchstarter nicht nur auf Grund des Freibiers fest in ihren Terminkalender eingeschrieben hatten, nicht abfinden. Sie wählten im Februar zehn "NetReps" (Network Representatives), die den Rückkauf der bei der Londoner First Tuesday Limited verbliebenen Markenrechte über die Bühne bringen sollen. Axel Berg, einer der Geschäftsführer von First Tuesday Deutschland und Teil des Verhandlungskomitees, erwartet den Abschluss des auf rund eine Million US-Dollar geschätzten Deals nun innerhalb der nächsten zwei Wochen. Eine momentan noch unter dem Deckmantel "NewCo" (New Company) agierende Aktiengesellschaft mit Sitz in London soll dann die weltweiten Meetings und ihre Organisationen koordinieren.

Auch wenn damit gesichert wäre, dass die monatlichen Dienstags-Stelldicheins weiterhin unter dem bewährten Namen laufen können, soll ihr Konzept grundsätzlich überarbeitet werden. Nachdem First Tuesday bislang weit gehend für den Hype rund um Internet-Startups, für Gründer-Boygroups und kindische Börsenmillionäre steht, wollen die Organisatoren nun professioneller werden und speziell auf die Gründerklientel zugeschnittene Angebote starten. "Wir sprechen von nichts weniger als First Tuesday 2.0", verkündet Berg. So wie eine zweite Generation von Firmengründern und Wagniskapitalgebern gefragt sei, werde auch die feine Kunst des Networkings auf eine höhere Stufe gehoben.

First Tuesday Deutschland startete im Januar 2000 in Berlin, wo sich die nur an ihren gelben (Berater), grünen (Gründer) und roten (Venture Capitalist) Punkten auf den Namensschildchen unterscheidenden Massen im – inzwischen halb abgerissenen – Radisson Plaza Hotel am Berliner Dom erstmals mit Gläsern und Flaschen jonglierend aneinander rieben. Die Treffen waren rasch in den Ruf gekommen, eine reine Partyveranstaltung für unausgelastete Startup-Mitarbeiter in Logo-verzierten T-Shirts zu sein. "Schreiben Sie das bloß nicht!", meinte Berg heute halb scherzend, halb ernst gemeint. Doch gänzlich soll sich das Image von First Tuesday auch in Zukunft nicht ändern. "Die Party-Komponente muss dabei sein", glaubt der Rechtsanwalt. Sonst sei ein echtes Networking nicht möglich.

Weiter werden soll die Bandbreite von First Tuesday, der sich mittlerweile der Konkurrenz von anderen, allerdings nicht global agierender Zirkeln wie dem Wap Wednesday erwehren muss. Statt auf die New Economy stellt Berg auf das "neue Unternehmertum" ab, das alle Bereiche der Hochtechnologie über das Internet, Life Science bis zur Biotechnologie abdeckt. Die Kompetenzen von First Tuesday, auf einer Plattform Gründer mit Geldgebern oder potenziellen Mitarbeitern möglichst schnell und unkompliziert zusammen zu bringen, erachtet Berg aber auch für die traditionelle Wirtschaft und im Dienstleistungssektor als immer wichtiger. Dabei solle in Zukunft auch die Website der Netzwerk-Gruppe eine größere Rolle spielen und das Matchmaking getrennter Player im Startup-Bereich erlauben.

Als erstes neues Format startet First Tuesday am heutigen Dienstagabend in Berlin "Jobs & Pitches". Startups wie Project 49 oder Netcrawling, die dem Auge der Öffentlichkeit bisher verborgen blieben, werden dort ihre "Visionen" darstellen und um Mitarbeiter buhlen. Das dürfte angesichts der jüngsten Entlassungswelle bei Berliner Startups, die inzwischen auch "Vorzeige-Firmen" wie Dooyoo oder datango erreicht hat, auch nicht allzu schwierig sein. Untermalt werden soll das "Pitching" mit Vorträgen zu Themen wie "Wie motiviere ich trotz Kündigungen die verbleibenden Angestellten" oder "Wie halte ich die wichtigsten Mitarbeiter in schwierigen Zeiten". Dass aus First Tuesday damit eine "Pink-Slip-Party" wird, auf denen in den USA seit Herbst ehemalige Durchstarter geradezu mit stolz ihre rosafarbenen Entlassungsscheine präsentieren, glaubt Berg nicht.

"Jobs & Pitches" soll dennoch vier Mal im Jahr in einer der inzwischen zehn deutschen First-Tuesday-Städte stattfinden. Generell arbeiten die Organisatoren daran, immer mehr Formate mit ähnlichen Themen und Rednern zu kreieren, die von anderen Städten übernommen werden können. Dadurch soll sich der Management-Aufwand in Grenzen halten. Denn Geld verdienen wollen die sich in Gründung befindende, in Berlin stationierte AG sowie ihrer Londoner Mutter nicht mehr mit Provisionen bei erfolgreichen Vermittlungen. "Das hat nie funktioniert", gibt Berg zu. Finanzieren will sich die Firma mit Werbung und Sponsoring über ihr Partnernetz. So konnte First Tuesday Berlin für die heutige Veranstaltung, die wegen eines am morgigen Mittwoch anberaumten Treffens der deutschen Organisationsteams ausnahmsweise mitten im Monat läuft, beispielsweise den Deutschen Industrie und Handelstag (DIHT) gewinnen. (Stefan Krempl) / (jk)