Post aus Japan: Das stromernde Rad

Forscher in Nippon versprechen, eines der größten Probleme von Elektroautos elegant zu beheben: die geringe Reichweite. Ihre Idee ist dabei die schnurlose Stromübertragung.

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Von
  • Martin Kölling
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Schnurlose Übertragung von Strom von der Straße zum Auto ist keine ganz neue Idee. Japanische Forscher haben allerdings eine interessante Nuance hinzugefügt, die Probleme wie den bisher hohen Übertragungsverlust oder den hohen Kaufpreis von Elektroautos lindern könnte: den kontaktlosen Stromtransfer von der Straße zu Radnabenmotoren, also Motoren, die direkt in den Rädern sitzen.

Die Forscher werden geleitet von Professor Hiroshi Fujimoto von der Graduate School of Frontier Sciences an der Tokyo Universität. Als Technikpartner hat er sich zwei recht große japanische Bauteilehersteller ausgesucht, Toyo Denki Seizo and NSK – und als Auto den elektrischen i-MIEV von Mitsubishi Motor.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Und so funktioniert das System: In der Straße haben die Forscher Spulen verlegt, die ein Magnetfeld erzeugen. Als Speicher des schnurlos übertragenen Stroms dient wie schon in einem ersten Test 2015 der große Lithium-Ionen-Akku. Doch dieses Mal haben die Forscher zusätzlich Lithium-Ionen-Kondensatoren an den Rädern hinzugefügt, die Energie schneller aufnehmen und abgeben können als herkömmliche Batterien. Jeder Kondensator besteht aus zwölf Zellen mit einer elektrischen Kapazität von 1,500 Farad.

Die Radnabenmotoren werden in diesem System mit Strom aus den Kondensatoren angetrieben, wenn das Auto über eine Ladestraße fährt. Dies verlängert nicht nur die Reichweite oder erlaubt es den Autoherstellern, kleinere Batterie einzubauen, sofern die Stromleitungen in vielen Straßen verbaut werden. Es gibt noch einen zweiten Bonus: Die Kondensatoren nehmen mehr Bremsenergie auf als die große Bordbatterie. Und die überschüssige Energie übermitteln sie schnurlos an den Lithium-Ionen-Akku.

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Eine schöne Idee: Und sie verfügt über Sexappeal für Politiker, da die Verlegung der Stromspulen in der Straße nach großen öffentlichen und konjunkturförderlichen Bauprojekten schreit. Aber ich glaube nicht, dass sich diese Idee über das Prototypenstadium hinausentwickeln wird.

Ein Grund ist eben die Höhe der erforderlichen Investitionen. Es reicht ja nicht, die elektrischen Leitungen in einer Stadt oder einer Nation zu verlegen. Es müsste eigentlich eine globale Kraftanstrengung mit globalen Standards geben, damit die Autohersteller die kontaktlos betankten Stromer in Großserie produzieren können. Und ich glaube kaum, dass das passieren wird, wenn sich schon Steckdosen für Strommobile nur im Schneckentempo verbreiten.

Ein anderer Grund sind die Radnabenmotoren an sich. Sie sind der Traum von Designern. Denn die Auflösung des zentralen Motors und die Verteilung würde ganz neue Formen und Fahreigenschaften für Autos ermöglichen. Man denke nur an Einzelsteuerung und schärfere Einschlagwinkel der Räder. Autos könnten quasi auf der Stelle drehen oder quer einparken.

Aber diese Radnabenmotoren sind seit Jahrzehnten ein Traum und könnten es für die absehbare Zukunft bleiben, schon weil sie wegen ihrer hohen Masse kompliziert zu federn sind. Anfälliger als dumme, normale Räder sind sie überdies.

Die großen Hersteller mit ihrem Ziel der Nullfehlerkultur und Megagroßproduktionsdenke werden diese Technik daher erstmal kleinen Herausforderern überlassen. Aber das soll kein Plädoyer sein, keine Ideen mehr zu entwickeln. Gerade für Japan, das in vielen Bereichen der Industrie 4.0 ein bisschen hinter der Weltspitze herhinkt, ist es im derzeitigen Umbruch wichtig, viele Ideen in die Luft zu werfen, um zu sehen, welche fliegt. ()