USA: Welle des Protests gegen drohendes Aus für die Netzneutralität

Hunderte Startups, Große Online-Unternehmen, Bürgerrechtler und Forscher laufen Sturm gegen den Plan des US-Chefregulierers Ajit Pai, die Prinzipien fürs offene Internet auszuhebeln. Erste Petitionen und eine offizielle Konsultation laufen.

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USA: Welle des Protests gegen drohendes Aus für die Netzneutralität

Ajit Pal, Chef der FCC in der Mitte, mit den Beisitzern Mignon Clyburn und Michael O'Rielly.

(Bild: fcc.gov)

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Ajit Pai, der neue Vorsitzende der Federal Communications Commission (FCC), hat sich mit seiner Absicht, die Netzneutralität aus ihrer derzeitigen rechtlichen Verankerung zu reißen, jenseits der Branche der Telcos und Kabelnetzbetreiber bislang keine Freunde gemacht. Große Teile der Internetwirtschaft protestieren, scharfe Kritik kommt auch von Pionieren der Online-Welt, den Demokraten und aus der Zivilgesellschaft.

"Wir sind schwer besorgt über ihre Absicht, das bestehende gesetzliche Rahmenwerk rückgängig zu machen", schreibt ein Zusammenschluss von über 800 US-Startups in einem offenen Brief an Pai. Ohne Netzneutralität könnten die Platzhirsche unter den Internetprovidern "Gewinner und Verlier im Markt herauspicken", indem sie "den Verkehr von unseren Diensten behindern", ihre eigenen Dienste oder die von etablierten Wettbewerbern bevorzugten oder eine Maut für eine schnellere Datenübertragung verlangten. Der Erfolg des US-amerikanischen Startup-Ökosystems sei damit in Gefahr, warnt die Allianz, der Firmen wie Y Combinator, Etsy, Foursquare, GitHub, Imgur oder Nextdoor angehören.

Auch die Internet Association, der Online-Schwergewichte wie Amazon, eBay, Facebook, Google, Microsoft, Netflix oder Spotify angehören, wendet sich entschieden gegen eine Rückkehr zu "freiwilligen" Prinzipien zur Netzneutralität, die Gerichte schon mehrfach kassierten. Ein solcher Schritt würde "zu einem schlechteren Internet für die Verbraucher und weniger Online-Innovation führen". Feste Regeln für ein neutrales Netz förderten Investitionen sowie Wettbewerb und gäben allen Marktakteuren Rechtssicherheit.

Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web (WWW), warnt vor einem Rückfall in die alten Tage des Kabelfernsehens: Ein Zugangsanbieter könne dann darüber entscheiden, welche Videos etwa seine Kunden sehen dürften. Die einzigen Gewinner "werden die Kabel- und Telefonindustrie sein", schreibt der Rechtswissenschaftler Tim Wu, der 2003 den Begriff Netzneutralität prägte, in der New York Times. Die Provider könnten damit die Preise für alle weiter erhöhen. Es sei der "Inbegriff sinnlosen Regierungshandelns", passe gar nicht zum "populistischen Mandat" von US-Präsident Donald Trump.

Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF), Free Press oder PublicKnowledge werfen dem Chef der Regulierungsbehörde vor, "alternative Fakten" vorzubringen und längst widerlegte Sprechpunkte der Netzbetreiber aufzuwärmen. Es drohe der "Tod des Internets, wie wir es kennen". Sie sammeln daher Unterschriften und rufen zur Ansprache der entscheidenden Regierungsvertreter und Politiker auf. Die FCC selbst hat Wege bekannt gegeben, über die sich Öffentlichkeit am besten an der Konsultation zu der Initiative beteiligen könne. (anw)