Grimme Online Award: Politische Angebote und 360-Grad-Reportagen nominiert

Im Wahljahr präsentiert sich der Grimme Online Award politischer als sonst. Unter den 28 nominierten Angeboten beschäftigen sich viele mit gesellschaftlichen Themen: Vom Wahlkampf über Holocaust-Dokumentationen bis hin zum konstruktiven Journalismus.

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Grimme Online Award: Politische Angebote und 360-Grad-Reportagen nominiert

In Köln wurden am Dienstag die Nominerungen für den Grimme Online Award bekanntgegeben.

(Bild: Grimme Institut)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Das Grimme-Institut hat die Nominierungen für den Grimme Online Award 2017 bekanntgegeben. "Das Internet ist nicht kaputt. Aber sein Ruf ist ramponiert", erklärte die Nominierungskommission am Dienstag in Köln . Um den Gegenbeweis zum grassierenden Netz-Pessimismus anzutreten, haben die Preisrichter ein breites Spektrum von Angeboten herausgesucht. Damit wollen sie zeigen, dass das Internet nicht nur als Tummelplatz für Verschwörungstheoretiker und Extremisten taugt.

Wie sehr sich das Netz im Krisenfall zu einer Gerüchteküche entwickelt, hat die Redaktion der Süddeutschen Zeitung in einer Multimedia-Reportage über die "Timeline der Panik" ergründet. Hierzu werteten die Autoren über 113.000 Tweets aus, die unmittelbar nach dem Münchener Amoklauf von Juli 2016 veröffentlicht worden waren, dokumentieren Fehlalarme und das daraus resultierende Chaos.

Um den Auswüchsen des sozialen Netzes auch im Alltag Grenzen zu setzen, hat sich eine Facebook-Gruppe mit mittlerweile 35.000 Mitgliedern gegründet, die unter dem Hashtag #ichbinhier an vielen Stellen des Netzes dafür sorgen wollen, dass die Diskussionen nicht in Ressentiments und Beleidigungen abgleiten. Mit gezielter Gegenrede und Argumentationen versuchen die Mitglieder das Diskussionsklima auf Facebook-Seiten von Medien zu verbessern.

Dass 360-Grad-Videos und Virtual Reality im Journalismus ihren Platz gefunden haben, zeigen gleich mehrere Nominierungen. So hat der Westdeutsche Rundfunk die Reportage Inside Auschwitz für die Veröffentlichung auf YouTube produziert. Die Geschichte von drei Zeitzeuginnen werden um 360-Grad-Perspektive ergänzt, die den Zuschauern die Dimensionen des Vernichtungslager der Nationalsozialisten nahebringt.

Der WDR widmet sich mit der Technik auch weniger brisanten Themen: So wurde ebenfalls eine aufwändig produzierte VR-Tour durch den Kölner Dom für den Grimme Online Award nominiert, ebenso wie die 3D--Dokumentation über den Biologen Erwin Hapke, der sein Haus über 35 Jahre in einer Art Museum mit gefalteten Kunstwerken verwandelt hatte. Da das Haus aus finanziellen Gründen nicht für die Öffentlichkeit geöffnet werden kann, ist die 3D-Reportage bisher der einzige Weg, das Werk des verstorbenen Hobbykünstlers angemessen zu präsentieren.

Ebenfalls nominiert wurde die Multimedia-Reportage des Foto-Journalisten Christian Werner, die bei Spiegel Online unter dem Titel "Rette Sie, wer kann" veröffentlicht wurde. Mittels Text, Filmen und 360-Grad-Videos wird hier den Zuschauern ein unmittelbarer Einblick in die Arbeit von Helfern geboten, die versuchen im Mittelmeer in Seenot geratene Flüchtlinge zu retten.

Dass das Netz auch Gruppen einen Platz in der Öffentlichkeit gibt, die sonst in den Massenmedien seltener Gehör finden, zeigen verschiedene nominierte Projekte. So stellt die vom Hessischen Rundfunk produzierte Reportage "Die mit den Händen tanzt" die Arbeit der Gebärdendolmetscherin Laura Schwengber vor, die sich darauf spezialisiert hat, Konzerte für Gehörlose zu begleiten.

Ebenfalls an Gehörlose richtet sich die Plattform Gebärdengrips, auf der Sachverhalte in Gebärdensprache erklärt werden – etwa, warum ein Flugzeug fliegen kann. "Die Gruppe der Gehörlosen ist in Deutschland relativ klein. Dennoch ist es wichtig, dass auch Sie Zugang zu Wissen haben", erklärte Projektmanagerin Stefanie Trzecinski in Köln die Mission des Angebots. Möglich wurde die Umsetzung nur durch staatliche finanzielle Unterstützung.

Über Online-Projekte versuchen Medienhäuser eher jüngere Zielgruppen zu erreichen. So wurden zwei Kanäle des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots Funk für den Preis nominiert. Im YouTube-Kanal "Datteltäter" werden Vorurteile gegen Muslimen aufgegriffen. Im Kanal "Germania" beschäftigen sich Menschen aus Einwandererfamilien im Gegenzug damit, was es bedeutet, deutsch zu sein.

Der interaktive Comic Ninette - Dünn ist nicht dünn genug beschäftigt sich mit dem Thema Magersucht und versucht Jugendliche in elf Kapiteln über das Problem aufzuklären.

Angesichts des starken Aufgebots gerade der öffentlich-rechtlichen Sender hatten Einzelkämpfer bei den Nominierungen in diesem Jahr einen schweren Stand. Dennoch geschafft hat es Anna Stumpf, die mit ihrem Einsteiger-Ratgeber How to Opera gerade einem jüngeren Publikum die Chance geben will, sich die komplexe Welt der Oper zu erschließen. Ebenfalls nominiert wurde der Blog und Podcasts, des Wochenendrebells Mirco von Juterczenka, der den Alltag mit seinem autistischen Sohn beschreibt.

Die Grimme Online Awards werden am 30. Juni in Köln verliehen. Neben den von Fachjurys verliehenen Preisen gibt es auch einen Publikumspreis, der ab sofort in einer Online-Abstimmung unter den insgesamt 28 nominierten Angeboten ermittelt wird. (vbr)