SESAME: Erster Teilchenbeschleuniger des Nahen Ostens eingeweiht

Nach Jahrzehnten der Vorbereitung wurde im Nahen Osten der erste Teilchenbeschleuniger eingeweiht und soll nun Grundlagenforschung ermöglichen. Beteiligt sind Wissenschaftler aus Staaten, die offiziell verfeindet sind.

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SESAME: Erster Teilchenbeschleuniger des Nahen Ostens eingeweiht

Mitarbeiter vor dem Synchrotron SESAME

(Bild: © SESAME)

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In Jordanien hat König Abdullah II. mit SESAME den ersten Teilchenbeschleuniger des Nahen Ostens eingeweiht. In dem von der UNESCO initiierten Projekt unter dem vollen Namen Synchrotron-light for Experimental Science and Applications in the Middle East kooperieren gleich mehrere Staaten der Region, die politisch verfeindet sind, deren Wissenschaftler nun aber Seite an Seite in der Forschungsanlage arbeiten können. Offiziell beteiligt sind derzeit neben Jordanien noch Zypern, Ägypten, der Iran, Israel, Pakistan, die Palästinenserbehörde und die Türkei. Als Beobachter der inzwischen völlig unabhängigen Betreiberorganisation fungieren unter anderem die EU, Deutschland, Russland und die USA.

Wichtige Elemente des Synchrotrons stammen von dem ehemaligen Berliner Ring BESSY I, der zugunsten des BESSY II abgebaut worden war. Für den Betrieb in Jordanien wurde die Anlage aber aufgerüstet und soll nun Elektronen auf eine Energie von 2,5 GeV beschleunigen. Das geschieht in dem 133 Meter langen Ring. Der ist einer von weltweit etwa einigen Dutzend derartigen Teilchenbeschleunigern, aber der erste in der Region. Auch die Art der länderübergreifenden Kooperation für die Wissenschaft ist in der Region noch einzigartig und muss sich erst einspielen, wie Technology Review vergangenes Jahr berichtet hatte.

Teilchenbeschleuniger SESAME (19 Bilder)

Abdullah II. bei der Einweihung
(Bild: © SESAME)

Einige der mit dem Projekt verbundenen Schwierigkeiten hat die BBC anlässlich der nun erfolgten Einweihung zusammengetragen. So unterhalten die an dem Projekt beteiligten Staaten Israel und Iran keine diplomatischen Beziehungen zueinander, wie auch die Republik Zypern und die Türkei. Wegen der Wirtschaftssanktionen gegen landeseigene Banken konnte außerdem der Iran lange seine Beiträge nicht zahlen. Darüber hinaus seien zwei an SESAME arbeitende iranische Wissenschaftler getötet worden und ihr Heimatland beschuldigt den israelischen Geheimdienst. Auch die Natur hatte ihren Anteil an den Schwierigkeiten: Ein Schneesturm habe zwischenzeitlich das Dach zerstört.

Der Aufbau von SESAME

(Bild: © SESAME)

Verantwortlich für die Organisation war der britische Physiker Chris Llewellyn Smith, der nun "ein bisschen überrascht" sei, dass es geklappt habe. Das größte Problem sei die Finanzierung gewesen, denn "die Staaten der Region haben ein Wissenschaftsbudget, das selbst mit dem Mikroskop schwer zu erkennen ist". Mehrmals habe es Situationen gegeben, an denen jede rationale Person aufgegeben hätte, sagt er dem Sender. Ein Wendepunkt sei 2012 gekommen, als Israel, der Iran, Jordanien und Ägypten jeweils fünf Millionen US-Dollar zugesagt hätten – wenn die jeweils anderen das gleiche bereitstellten. Nun soll SESAME jungen Wissenschaftlern der Region eine Perspektive geben, die nicht in der Abwanderung nach Europa oder Nordamerika bestünde. SESAME selbst soll demnach künftig seine Energie von einer Solarfarm erhalten und wäre damit der erste Teilchenbeschleuniger überhaupt, der mit erneuerbaren Energien betrieben wird. (mho)