Stabil mit Blockchain

Ein schnell wachsendes Unternehmen aus Bayern will sich an die technische Spitze der Energiewende setzen: Mit einem dezentralen System aus vielen tausend Pufferbatterien auf Blockchain-Basis.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sascha Mattke
Inhaltsverzeichnis

Im Süden Deutschlands, mitten im Allgäu, wächst ein Unternehmen heran, das noch von sich reden machen könnte. "Unser Ziel ist saubere und bezahlbare Energie für alle", gibt sein CEO Christopher Ostermann auf der Homepage als Mission aus. Und tatsächlich gewinnt seine Sonnen GmbH derzeit Auszeichnung nach Auszeichnung, sammelt Kapital in zweistelliger Millionenhöhe von namhaften Investoren ein und ist in der Energiebranche an vorderster technischer Front präsent.

Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2010 als einfacher Hersteller von Solar-Speicherbatterien für Privathaushalte. Sein neuestes Angebot aber zeigt, dass es sich seitdem deutlich weiterentwickelt hat: Sonnen-Kunden sollen sich zu einer vernetzten Community zusammenschalten lassen und mit ihren Batterien zur Stabilisierung des gesamten Stromnetzes beitragen. Wenn das Strom-Angebot die Nachfrage übersteigt, werden die digital gesteuerten Speicher geladen, fehlt es an Angebot, stellen sie Strom zur Verfügung. Im Gegenzug erhalten die teilnehmenden Haushalte Strom zu günstigen Konditionen.

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Weil solche so genannten Regelleistungen unverzichtbar sind, um einen Zusammenbruch des Stromnetzes zu vermeiden, wird sie von den Netzbetreibern gut bezahlt – eine Folge der zunehmenden Bedeutung von schlecht planbaren erneuerbaren Energiequellen wie Wind- oder Sonnenkraft. Und noch ein verwandtes Problem geht Sonnen mit seinen vernetzten Speichern an: zu manchen Zeiten sind Stromnachfrage und -angebot zwar ausgeglichen, doch die Übertragungsnetze wären mit dem Transport vom Erzeugungs- zum Verbrauchsort überlastet. Das lässt sich verhindern, indem zum Beispiel im Norden Strom gespeichert und im Süden aus den Batterien entnommen wird.

Ein Pilotprojekt dafür zusammen mit dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet hat Sonnen Anfang Mai angekündigt. "Flexibilität im Stromnetz wird in Zukunft entscheidend sein", erklärt Matthias Bloch, Pressesprecher von Sonnen. Die Entgelte für Regelleistung und Redispatch – so der Fachbegriff für die kurzfristige Verschiebung von Produktionskapazitäten – würden deshalb zwar schwanken, doch mit Sicherheit sei damit auf Dauer Geld zu verdienen.

Wobei "auf Dauer" zumindest für Sonnen selbst ein gutes Stichwort ist: Kunden können seit vergangenem September in die Speicher-Community eintreten und werden dann zum Pauschaltarif von 19,95 Euro pro Monat (rein rechtlich eine Mitgliedschaftsgebühr) mit einem festen Stromkontingent beliefert. Das Unternehmen aber bekommt vorerst kein Geld von den Netzbetreibern, denn es hat die nötige "Präqualifizierung" zur Netzstabilisierung noch nicht abgeschlossen. Erst "im Lauf dieses Jahres" soll es laut Bloch so weit sein, bis dahin zahlt Sonnen drauf.

Solche Angebote kann das Unternehmen machen, weil es großzügig mit Kapital ausgestattet ist. Im vergangenen Jahr kam es auf die Liste der "50 innovativsten Firmen der Welt" der Technology Review (Ausgabe 9/2016), für die Unternehmensberatung Deloitte ist Sonnen eines der zehn am schnellsten wachsenden Unternehmen in Deutschland, und erst im Herbst 2016 hat es eine Finanzierungsrunde über 76 Millionen Euro mit mehreren bekannten Namen wie GE Ventures abgeschlossen.

Ebenfalls interessant ist, dass Sonnen für die Abrechnung seiner Dienstleistungen zur Netzstabilisierung auf Blockchain-Technologie setzt. Das durch die Digitalwährung Bitcoin bekannt gewordene Konzept bietet die Möglichkeit, eine Vielzahl von kleinen Transaktionen zwischen vielen Teilnehmern mit Hilfe von raffinierter Kryptografie dezentral und manipulationssicher zu registrieren.

Um Erfahrungen mit der neuen Technologie zu sammeln, nutzt Sonnen für seine Speicher-Gemeinschaft ein in der Cloud laufendes Blockchain-Angebot von IBM, das auf der Open-Source-Lösung Hyperledger Fabric basiert. Dabei handelt es sich um ein weiterentwickeltes Konzept, das um Verwaltungsfunktionen ergänzt wurde und mit 1000 Transaktionen pro Sekunde weitaus schneller arbeitet als die Blockchain hinter Bitcoin.

Zwingend nötig ist das derzeit nicht: Die rund 6000 Teilnehmer, die Sonnen bislang für sein neues Angebot gewonnen hat, ließen sich laut Sprecher Bloch durchaus noch "mit traditioneller Software" verwalten. Aber das Unternehmen denke langfristig, und bei 27 Millionen deutschen Privathaushalten sei leicht zu sehen, dass die Zahl der Beteiligten schnell in nicht mehr handhabbare Größenordnungen steigen könnte. "Das gute an Blockchain-Technologie ist die Skalierbarkeit", erklärt Bloch. "Ein Kollege von mir sagt immer, wenn es Blockchains noch nicht gäbe, müsste man sie für den Energiemarkt erfinden."

(sma)