Netzneutralität: Niederländisches Gericht kippt Verbot von Zero Rating

Die niederländische Regulierungsbehörde ACM ging auf Drängen von Bürgerrechtlern gegen ein Streaming-Angebot von T-Mobile vor. Der Mobilfunkbetreiber wehrte sich dagegen und erhielt nun vor Gericht Recht.

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Netzneutralität: Niederländisches Gericht kippt Verbot von Zero Rating

(Bild: t-mobile.nl)

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In den Niederlanden ist ein neuer Bestandteil des dortigen Gesetzes zur Netzneutralität offenbar nicht zu halten. Das Bezirksgericht Rotterdam hat jüngst eine Vorschrift gegen Zero Rating niedergeschlagen, die das Parlament voriges Jahr in die bereits bestehenden nationalen Vorgaben für ein offenes Internet eingefügt hatte. Dies melden die Bürgerrechtsinitiative European Digital Rights (EDRi) und Netzpolitik.org unter Berufung auf ein Urteil von Ende April.

Beim Zero Rating rechnen Mobilfunkbetreiber bestimmte Transfers nicht auf das in einen Tarif eingeschlossene Datenvolumen an. Sie können so eigene Angebote oder die von Partnern vor allem beim Streaming bevorzugen.

Auslöser für die Auseinandersetzung war eine Offerte, das T-Mobile kurz nach dem Gesetzesbeschluss in sein Sortiment nahm. Es ist mit dem hiesigen Angebot "Stream On" der Deutschen Telekom vergleichbar, das die Bundesnetzagentur derzeit prüft. Der Dienst ermöglicht es Kunden, Musikdienste wie Spotify oder Tidal unabhängig von ihrem Datenplan zu nutzen. Das EDRi-Mitglied Bits of Freedom beschwerte sich über das Angebot bei der niederländischen Regulierungsbehörde ACM (Autoriteit Consument en Markt). Die Bürgerrechtler beklagten, dass T-Mobile gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße und den Nutzern quasi vorschreibe, welche Streaming-Dienste sie nutzen sollten.

Die ACM schloss sich dieser Ansicht an und entschied, dass das Zero-Rating-Angebot gegen die bestehenden Auflagen zur Netzneutralität verstößt. T-Mobile ging vor dem Gericht in Rotterdam gegen den Beschluss vor, das nun die Gesetzesbestimmung kippte. Die Kammer urteilte, dass die maßgebliche EU-Verordnung für ein offenes Internet Preisdiskriminierung nicht per se verbiete, sondern von Fall zu Fall entschieden werden müsse. Zudem bezögen sich die Vorgaben, Datenpakete gleich zu behandeln, allein auf die technische Ebene des Datenverkehrs und nicht auf die Kosten für einen Netzzugang. Die niederländische Zero-Rating-Bestimmung sei daher nicht haltbar.

Kritiker hatten von Anfang an beklagt, dass die EU-Verordnung nicht wasserdicht sei und breite Hintertüren für Spezialdienste, mautpflichtige "Überholspuren" und Zero Rating öffne. Konkretere Leitlinien zu dem Text aus Brüssel legte das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek) im August fest. Demnach sollte den Netzbetreibern eigentlich kein großer Spielraum mehr für Preisdiskriminierungen einschließlich Zero Rating bleiben. Wenn damit nur einzelne Applikationen begünstigt würden, verstoße dies gegen die Nutzerrechte, befanden die Regulierer.

Die Rotterdamer Richter haben sich mit der Interpretationshilfe für die Verordnung eventuell nicht genau auseinandergesetzt oder diese nicht für maßgebend gehalten. Sie sahen auch keinen Anlass, den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen und so Rechtsklarheit für alle Mitgliedsstaaten zu schaffen. Die Bürgerrechtler von Bits of Freedom hoffen nun, dass die ACM gegen das Urteil Berufung einlegt. Sonst sei die Netzneutralität nicht nur in den Niederlanden, sondern in der ganzen EU in Gefahr. (anw)