Das orange Wunder

Bunte Petunien zeigen: Einmal freigesetzt, lassen sich manipulierte Gene kaum noch einfangen.

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Die Geschichte klingt lustig bis absurd: Ein Biologe entdeckt in Helsinki orange Petunien, die es von Natur aus eigentlich nicht geben dürfte. Es stellt sich heraus: Die ungewöhnliche Farbe ist Folge eines Experiments, das vor fast 30 Jahren in Deutschland stattfand. Damals bauten Max-Planck-Forscher auf rund 5000 Quadratmetern genveränderte Petunien an, im Rahmen des deutschlandweit ersten Freilandversuchs dieser Art. Genabschnitte aus eben diesen Pflanzen wurden nun in weiteren, weltweit verbreiteten Petunienstämmen gefunden. Wie sie dorthin kamen, ist unklar. Sicher ist nur: Die Händler müssen ihre Ware nach geltendem Recht nun aus dem Verkehr ziehen.

Nun kann man sich prima darüber mokieren, dass aus rechtlichen Gründen völlig harmlose, seit Jahren existierende Blümchen vernichtet werden sollen, und das Ganze als Auswuchs einer irrationalen Gentech-Paranoia abtun. Oder argumentieren, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel für die Ernährung der Welt mehr nutzen als schaden. Und dass es nie so weit gekommen wäre, wenn sich alle an die Vorschriften gehalten hätten.

Mag ja alles sein. Doch wir wollen hier für zukünftige Diskussionen festhalten: Gene, die einmal freigesetzt wurden, lassen sich kaum noch einfangen. Auch früher schon waren Gentech-Pflanzen immer wieder für wissenschaftliche Überraschungen gut. Dazu kommen verschlungene Lizenzdeals, Unternehmensfusionen, menschliches Versagen, unklare Regulierungen – all dies ist Teil des komplexen Systems namens Gentechnik und muss mit berücksichtigt werden. Wer behauptet, er habe all diese Faktoren im Griff, lügt. Wir hantieren also mit irreversiblen Maßnahmen an einer intransparenten Maschine herum. Was soll dabei schon schiefgehen?

Man kann natürlich trotz allem noch zu dem Schluss kommen, dass genveränderte Nahrungsmittel zu wichtig sind für die Welternährung, als dass man sich von solchen Bedenken bremsen lassen sollte. Nur möge mir bitte nie, nie, nie wieder jemand erzählen, die Wirkung und Verbreitung von veränderten Genen lasse sich begrenzen oder auch nur voraussagen.

(grh)