Künstliche Intelligenz: Wen es zuerst trifft

Früher oder später soll Künstliche Intelligenz bei fast allen Tätigkeiten besser sein als Menschen. Für eine Studie haben Experten jetzt konkrete Daten für verschiedene Aufgaben prognostiziert – die aber zum Teil schon überholt sind.

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Künstliche Intelligenz verändert die Welt, und zwar in einem atemberaubenden Tempo. Das Versprechen ist, dass intelligente Maschinen irgendwann jede Aufgabe besser und billiger werden erledigen können als Menschen. Ob zu Recht oder nicht, eine Branche nach der anderen lässt sich davon faszinieren – auch wenn bislang nur wenige wirklich davon profitieren. Das wirft eine interessante Frage auf: Wann wird künstliche Intelligenz tatsächlich nützlicher sein als menschliche? Oder konkreter: Wann wird eine Maschine Ihren Job besser erledigen als Sie selbst?

An einer Antwort darauf versuchen sich Katja Grace vom Future of Humanity Institute an der University of Oxford und Kollegen. Ihre Methode dafür war eine Expertenbefragung: Die Gruppe sprach mit den weltweit führenden Forschern im Bereich Künstliche Intelligenz und wollte von ihnen wissen, wann ihrer Meinung nach intelligente Maschinen Menschen in einer großen Bandbreite an Tätigkeiten übertreffen werden. Viele der Antworten waren überraschend.

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Bei den von Grace und Kollegen befragten Experten handelte es sich um Akademiker und Branchenspezialisten, die bei der International Conference on Machine Learning im Juli 2015 und bei der Konferenz Neural Information Processing Systems im Dezember 2015 Fachvorträge gehalten hatten. Diese beiden Veranstaltungen sind die wichtigsten für das Thema Künstliche Intelligenz, so dass man davon ausgehen darf, dass unter den Referenten viele bedeutende Experten vertreten waren.

Insgesamt wurden 1634 Personen gebeten, einen Fragebogen zu ihren Erwartungen ausfüllen; 352 kamen dieser Bitte nach. Aus den Antworten berechneten Grace und Kollegen dann Medianwerte.

Demnach sind die Experten der Meinung, dass Künstliche Intelligenz in den nächsten zehn Jahren Menschen bei Tätigkeiten wie Übersetzen (bis 2024), beim Schreiben von Aufsätzen fürs Gymnasium (2026) und beim Fahren von Lastwagen (2027) übertreffen wird.

Bei vielen anderen Aufgaben jedoch wird das laut der Studie viel länger dauern. Tätigkeiten im Einzelhandel sollen Menschen noch bis 2031 besser erledigen können, ein Bestseller-Buch sollen Maschinen erst 2031 schreiben und nicht vor 2053 als Chirurg arbeiten können.

Natürlich sind die Experten alles andere als unfehlbar. So sagten sie bei der Befragung voraus, dass Künstliche Intelligenz Menschen erst etwa 2027 in dem Strategiespiel Go schlagen würde. Das hat die Google-Tochter DeepMind bekanntlich mittlerweile längst geschafft.

Allgemein sagen die Experten voraus, dass Künstliche Intelligenz in 45 Jahren bei so gut wie allem besser sein wird als Menschen, doch Prognosen mit einem derart langen Zeithorizont sind stets etwas heikel. So soll laut manchen Experten kosteneffiziente Energie aus Kernfusion in ungefähr 40 Jahren Realität sein – doch das ist schon so, seit mit der Forschung daran begonnen wurde.

Für Menschen sind 40 Jahre ein wichtiger Zeitrahmen für Prognosen, weil sie ungefähr der Dauer eines Arbeitslebens entsprechen. Jede Veränderung, die sich erst später einstellen soll, wird also erst kommen, wenn die meisten Personen, die heute arbeiten, schon im Ruhestand sind.

Trotzdem ist es interessant, sich näher mit den Zahlen zu beschäftigen. Die Prognose von 45 Jahren ist der Medianwert aller teilnehmenden Experten bei der Studie. Um herauszufinden, ob es systematische Unterschiede zwischen bestimmten Gruppen gibt, untersuchten Grace und Kollegen, wie sich die Prognosen in Abhängigkeit vom Alter der befragten Forscher, der Zahl ihrer Zitierungen (also ihrer Fachkompetenz) und ihrer Herkunft unterschieden.

Dabei zeigte sich: Alter und Fachkompetenz haben keine Bedeutung, sehr wohl aber die Herkunft. Nordamerikanische Forscher erwarten im Durchschnitt, dass Künstliche Intelligenz Menschen erst in 74 Jahren bei fast allem übertreffen wird; Asiaten dagegen glauben, dass es schon in 30 Jahren so weit ist. Das ist ein bedeutender Unterschied, der sich kaum erklären lässt.

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