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Was war. Was wird. Von der achten Kunst, Hacken

Hacker sind Künstler und mindestens wie Leonardo da Vinci. Vielleicht aber auch Hippies. Wer weiß das schon, denkt sich Hal Faber, und fragt einen Experten: Kunsttheoretiker Putin erklärt die Welt.

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Was war. Was wird. Von der achten Kunst, Hacken
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Puh, da haben wir ja noch einmal richtig Glück. Wir können nach dem Sommer wählen gehen und "die Russen" werden uns nicht daran hindern oder etwa das Ergebnis in ihrem Sinn beeinflussen und die AfD stärken. Leben und Leben lassen! Das hat kein Geringerer als der russische Präsident Putin gesagt. Auf "staatlicher Ebene" wird nicht gehackt, erklärte Putin kurz und bündig. Aber er sagte noch mehr und schenkte uns damit eine komplette Kunsttheorie. Nun wissen wir, dass gleich nach dem Aufwachen die Hacker echte Künstler sind und so, wie der der Künstler den lieben langen Tag malt, wenn er gut drauf ist, hackt der Hacker Tag und Nacht. So, wie der Künstler in der Kultur seines Landes steht und sie reflektiert, ist auch der Hacker eingebunden und patriotisch drauf, jedenfalls nach Putin: "Wenn sie sich patriotisch fühlen, werden sie anfangen und den berechtigten Kampf gegen all die führen, die schlecht über Russland sprechen, wie sie das glauben."

*** Gut, Putin mag das auf Russisch anders formuliert haben, was man gemeinhin als eine glaubhafte Abstreitbarkeit beschreibt, aber jede große Theorie hat einmal klein angefangen. Wenn russische Hacker also Kritiker "der Russen" hacken, dann tun sie das aus Liebe zum Land und aus Liebe zum Coden. Da kann es bei dieser Überlagerung schon mal ein Übereifer passieren, was soll's. Hat nicht selbst eine große Hackerin wie Kristina Vladimirovna Svechinskaya, die scheinbar nur auf das große Geld aus war, erklärt, dass sie Mütterchen Russland liebt?

*** Nun hat ein genialer Kunsttheoretiker wie Putin Vorbilder, in diesem Fall einen Paul Graham mit seinem Buch "Hackers & Painters". Graham, Entwickler der Yahoo! Stores-Software, vergleicht sein Werk mit dem Bildnis der Ginevra 'de Benci von Leonardo, das ist schon einmal eine Ansage. Hacker arbeiten so intensiv an der Schönheit ihres Codes wie Leonardo da Vinci an seinem Bild, wobei Leonardo selbst so rastlos war wie Michael Jordan, schrieb Graham im Jahre 2004. Für Kunstinteressierte: Jordan ist ein ehemaliger Basketballspieler. Stellen wir uns einen hüpfenden Leonardo vor, dann haben wir das, was einen guten Hacker ausmacht.

*** Snowden ist übrigens kein Hacker, weder ein guter noch ein schlechter. Er ist auch kein Vaterlandsverräter. Das jedenfalls meinte Putin im Interview mit Snowden-Verfilmer Oliver Stone gemäß Newsweek. in Ausschnitten wiederum übersetzt von Sputnik News – echtes Hörensagen ist eine andere Kunstform, aber lassen wir das. Snowden hätte, wenn ihm seine Arbeit als NSA-Contractor nicht gefallen habe, "einfach kündigen" und gehen sollen, meint der Kunsttheoretiker Putin. Ob das eine versteckte Drohung gegen die eigenen Cyberkräfte ist oder bei russischen Diensten so gehandhabt wird, gehört zu den noch ungelösten und spannenden Fragen unserer Zeit: Wer hat wohl mehr 0-Days, "die Russen" oder "die Amis", diese Pandemie-Experten?

*** Für die Hacker ist Snowden ein solcher. Das Snowden-Field liegt auf der SHA in Zeewolde zwischen dem Hopper- und Zuse-Field hübsch am Wasser, dahinter die Feuchtgebiete von Wozniak und Manning. Mehrere Talks bei "Still Hacking Anyway" beschäftigen sich mit den "Snowden Revelations", den gesammelten Enthüllungen und Erleuchtungen. Obwohl Snowden wie ein alter Mann im Sessel sitzt, hält er doch nicht still, wie von Putin angeraten, sondern kommentiert Überwachungspraktiken außerhalb von Russland, etwa hier in Japan. Die "Revelations", besser gesagt die Snowden-Dokumente waren übrigens von Anfang an brisant, wie der scheidende Politiker Christian Ströbele in der Rückschau zur Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums sein Beschissensein erklärte:

"Es ist zwar verlockend, mehr zu wissen als andere. Aber deprimierend, nicht publik machen zu können, wenn Regierung und Dienste lügen. Im Fall Edward Snowden wussten Bundesregierung und BND genau, dass seine Dokumente über die globale Überwachung authentisch waren – sie hatten ja selbst mit der NSA kooperiert und beim millionenfachen Datenabgreifen mitgemacht. Doch Regierung und BND haben die Echtheit angezweifelt. Sie hätten nichts sagen oder auf US-Interessen verweisen können. Aber sie haben gelogen. Wenn manche Politiker und Beamte in den Diensten in ihren Familien so mit der Wahrheit umgehen würden – keiner würde mehr mit ihnen reden."

*** Ströbele wurde zwar zum Tode von Benno Ohnesorg interviewt, doch schlägt am Ende das traurige Resümee vom linken Leben im falschen durch, wenn Ströbele als Konsequenz die Auflösung des Verfassungsschutzes fordert. Das ist zwar nur ein Ein-Punkte-Plan eines einzelnen Grünen, aber besser als die zehn Harmlosigkeiten der Partei, die sich recht bildhaft in Punkt vier an Pulse of Europe ankuschelt. Passend zu den Punkten würde ich noch einen Sticker gegen WLAN-Strahlen für den anstehenden Straßen-Wahlkampf vorschlagen.

*** Während in den Kulturspalten deutscher Tageszeitungen landauf, landab über die Befindlichkeiten derer geschrieben wird, die 1967 dabei waren, und die kein Internet, kein Handy und nur manchmal ein Telefon in der WG hatten und auf das Radio angewiesen waren, ist die tageszeitung schon ein Ereignis weiter und berichtet vom Summer of Love in San Francisco, in dem der laut taz der "Personal Computer als Verstärker des Geistes" erfunden wurde. Das ist nicht nur künstlerisch wertvoll, schließlich soll die Cypherpunk-Mitgründerin und Hackerin Jude Milhon den Begriff "Hippie" für die Flowerpower-Szene in die Welt gesetzt haben. Leider noch nicht online: Ein Interview mit Howard Rheingold, in dem dieser vom Journalisten empört gefragt wird, warum diese tolle Gegenkultur und die Hippie-Bewegung nicht immun waren gegen den Neoliberalismus. Rheingolds lakonische Antwort: "Tja. Warum hat es keine Kultur auf der Welt verstanden, nicht vom Kapitalismus geschluckt zu werden?"

*** Der Sommer der Liebe war schon zwei Jahre vorbei, Martin Luther King war tot und Richard Nixon US-Präsident, da zog eine bunt zusammengewürfelte Bande von Hippie-Musikern nach Macon, Georgia. Man aß bei Mama Louise, raufte sich zu den Allman Brothers zusammen und schenkte der Welt Jahrhundertsongs wie den Statesboro Blues. Nun ist Gregg Allman tot. God rest his Soul war der Song, den Gregg zum Tod von Martin Luther King schrieb:

"I thought that Martin Luther King was a beautiful man, and he was trying to bring us all together and end the strife in this country. He knew we couldn't do that by fighting each other, and he knew we couldn't do it by bombing other people halfway across the earth. He was trying to show us another way to go about it, and he died because of that."

Was wird.

Bekannt ist, dass US-Präsident Trump im Weißen Haus seit seinem Amtsantritt ein besonders gesichertes weißes iPhone benutzt. Seit covfefe besteht zudem die Vermutung, dass Trump die Sprachsteuerung zum Twittern nutzt und coverage etwas undeutlich ausgesprochen haben könnte. Natürlich könnte es analog zum Kunsttheoretiker Putin auch sein, dass Trump als politisch interessierter Mensch in Politikforen wie 4chan oder bei Fefe vorbeischaut und über die Debatten zum Wortschöpfung covfefe gelangte: Es ist ja auch längst nicht ausgemacht, ob die Erde eine Scheibe, eine Kugel oder ein anderes atypisches Fragment ist, unter einem von vielen Big Bangs entstanden.

Auch dieser Klimawandel könnte nur eine Phantasie sein. Der von Trump mit vielen Fake Facts angestoßene Ausstieg der USA beim Klimaabkommen von Paris könnte zudem ein Hinweis darauf sein, dass Paris nicht existiert, genau wie Bielefeld und Pittsburgh. Auf dem Weg in eine drei Grad wärmere Welt ist das alles egal. Doch Eines ist sicher: Apple wird am Montag etwas ganz Großes vorstellen, ein Pfingstwunder. Wie wäre es mit einem Siri Speaker eigens für die Tweets des Präsidenten? Hübsch im Design, mit ordentlich viel Gold, damit der Klimakiller nicht mit einer gesprochenen Order die blaue Murmel zerdeppert.

(vbr)