Flüstern auf Entfernung
Britische Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der sich leise Gespräche über große Distanzen führen lassen.
Wer etwas mit einer anderen Person besprechen möchte, ohne dass dies andere in der Nähe befindliche Menschen mitbekommen, flüstert – denn das ist bekanntermaßen nur auf kurze Distanzen hörbar. Doch die lässt sich technisch künftig ein gutes Stück weit verlängern: Über 30 Meter können Forscher einer südwestbritischen Hochschule einander etwas ins Ohr wispern.
Dazu muss der Sprecher allerdings zunächst eine Art Cyborg-Ausrüstung anlegen. Vier Elektroden am Mund erfassen bei dem aktuellen Prototypsystem des "Project Telepathy" (Projekt Telepathie) die Muskelbewegungen beim Flüstern. Dazu wird die sogenannte Elektromyografie (EMG) eingesetzt, die sonst in der neurologischen Diagnostik Verwendung findet und die elektrische Muskelaktivität messen kann. Das geschieht in diesem Fall in den Bereichen von Lippen und Unterkiefer, woraus sich Sprache ableiten lassen soll.
Erst wenige Wörter werden unterschieden
Ein Algorithmus, den das Team der University of Bristol um Anne-Claire Bourland, Peter Gorman, Jess McIntosh und Asier Marzo von der Fakultät für Informatik entwickelt haben, ermittelt daraus die gesprochenen Wörter, die man sonst nur wahrnehmen würde, wenn man ganz nah rangeht. Derzeit beherrscht die Software allerdings lediglich zehn Begriffe wie "ja", "nein" oder "halt" mit einer Trefferquote von rund 80 Prozent. Dabei gab es erstaunlicherweise keinen Unterschied in der Erkennungsrate – egal ob die Testperson ein Wort wirklich hörbar aussprach oder nur lautlos mit den Lippen formte.
(Bild: Senado Federal - CPICARF - CPI do CARF / Wikipedia / cc-by-2.0)
Die erkannten Wörter geben 45 Mini-Lautsprecher dann in Form eines engen Ultraschallkegels im Winkel von sechs Grad wieder, der sich elektronisch genau auf einen Empfänger ausrichten lässt. Dank einer Kamera zur Blickerfassung, welche die Probanden an die Stirn geschnallt bekamen, kann die Software den Schall genau dorthin richten, wohin der Sprecher schaut. Nichtlineare Effekte in der Luft machen den Ultraschall in diesem engen Bereich hörbar.
Empfänger lässt sich gezielt ansprechen
Für den Empfänger klingt es so, als stünde der Sprecher direkt neben ihm, was sich in der Praxis recht gespenstisch anfühlen soll. Es sei so, als ob eine anderen Person einem etwas ins Ohr flüstere, "nur ist da keine andere Person", so Azier Marzo gegenüber dem "New Scientist". Es sei ein sehr leiser Klang und man wisse nicht, woher er komme.
(Bild: Universität Bristol)
Das System ließe sich beispielsweise im öffentlichen Nahverkehr einsetzen, um gezielt einzelne Randalierer anzusprechen, ihr störendes Verhalten doch bitte zu unterlassen. Mit Hilfe eines Laserpointers könnte zudem ein Ziel in einer Menge ausgewählt werden.
Gerichteter Flüsterlautsprecher als Wearable
Weitere Anwendungsideen sind militärische Einsätze, bei denen Kopfhörer nicht verwendet werden können und/oder der Gegner nicht mitbekommen soll, dass kommuniziert wird.
(Bild: Universität Bristol)
Als nächstes wollen die Forscher ihr "Project Telepathy" miniaturisieren. Sowohl Sensorik als auch Lautsprecher sollen verkleinert werden. Der Lautsprecher könnte beispielsweise auch in eine Jacke eingenäht werden. (bsc)