EU-Staaten wollen Rückgaberecht auch für "Gratis"-Apps

Verbraucher sollen auch bei "kostenlosen" digitalen Angeboten Gewährleistungsansprüche auf Reparatur, Updates oder Rückgabe erhalten, wenn sie mit ihren Daten dafür bezahlen. Dafür hat sich der EU-Rat ausgesprochen.

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EU-Staaten wollen Rückgaberecht auch für "Gratis"-Apps

(Bild: Rami Al-zayat)

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Anbieter digitaler Güter wie Apps, Musikdateien, Filme, Spiele oder E-Books sollen künftig deutlich stärker für diese haften. Eine gemeinsame Position dazu hat der EU-Ministerrat am Donnerstag beschlossen. Demnach sollen Verbraucher auch bei scheinbar kostenlosen einschlägigen Inhalten oder Diensten umfangreiche Gewährleistungsansprüche etwa auf Reparatur, Updates oder Rückgabe haben, wenn sie personenbezogene Daten dafür herausgeben müssen und der Anbieter diese Informationen kommerziell beispielsweise für zielgerichtetes Marketing nutzen will.

Die EU-Kommission wollte in ihrem ursprünglichen Vorschlag für eine Richtlinie zum Einkauf digitaler Inhalte vom Dezember 2015 zunächst nur kostenpflichtige Güter erfassen. Sie warb aber dafür, dass Anbieter bei Vertragsende persönliche Daten nicht mehr verwenden dürfen, falls der Kunde nur mit diesen für die Leistung gezahlt hat. Den EU-Mitgliedsstaaten geht dies aber nicht weit genug. Sie betonen, dass der "wachsende Wert" personenbezogener Informationen "in modernen Geschäftsmodellen" einen umfassenderen Ansatz erfordere.

Der Rat plädiert ferner dafür, dass auch Bündelangebote sowie Services von "Over the Top"-Dienstleistern wie Skype oder WhatsApp unter die Richtlinie fallen. Andererseits wollen sie Anbietern eine "zweite Chance" einräumen, wenn diese bestellte Waren nicht rechtzeitig liefern können, bevor der Kunde den Vertrag für nichtig erklärten kann. Entsprechen gekaufte Produkte nicht der Leistungsbeschreibung, sollen die EU-Länder mehr Flexibilität erhalten, um Abhilfe zu schaffen. Die Kommission hatte hier einen recht starren Katalog an Gegenmitteln vorgeschlagen. Die Gewährleistungsfrist soll mindestens zwei Jahre betragen, jenseits davon sollen die Mitgliedsstaaten aber auch in diesem Bereich mehr nationalen Spielraum erhalten.

In Streitfällen will der Rat im Einklang mit der Brüsseler Exekutivinstitution die Beweislast umkehren. Bislang muss etwa ein italienischer Verbraucher, der ein Produkt vor mehr als sechs Monaten online im Ausland erworben und dann einen Defekt festgestellt habe, gegebenenfalls selbst nachweisen, dass der Mangel schon bei der Lieferung bestand. Künftig soll die Frist, in der ein Hersteller belegen muss, dass die ausgegebene Ware in Ordnung war, laut den nationalen Regierungsvertretern generell ein Jahr betragen. Als nächstes muss das EU-Parlament seinen Kurs festlegen, bevor im Herbst die Verhandlungen über einen Kompromiss beginnen können.

Der Digitalverband Bitkom hat den Beschluss scharf kritisiert, da damit erstmals im EU-Recht das Prinzip von "Daten als Währung" verankert und auf viele Geschäfte im Netz angewendet werde. "Gerade bei kostenlosen Angeboten wie Apps oder Spielen gehen Ansprüche auf Reparatur an der Realität vorbei", monierte der Geschäftsführer der Vereinigung, Bernhard Rohleder. Vor allem Startups seien davon betroffen und würden "durch solche Vorschriften überfordert". Sie dürften "einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Anbietern erleiden, die auf anderen, weniger streng reglementierten Märkten wachsen können".

In der Praxis würden die geplanten Gewährleistungsansprüche bei kostenlosen digitalen Gütern nach Ansicht des Bitkom immer darauf hinauslaufen, dass das Geschäft rückabgewickelt wird. Reparatur oder Nachbesserung machten für den Anbieter vielfach keinen Sinn. Das würde bedeuten, dass der Verbraucher die App löschen müsste und seine Daten zurückbekäme. Ein solches Recht sehe aber bereits die neue EU-Datenschutzverordnung vor, sodass dem Nutzer nicht geholfen werde. Auf die Anbieter käme dagegen "große Unsicherheit". Der Bitkom wittert in einem Rückgaberecht für Apps im Gegensatz zu Verbraucherschützern seit Längerem eine "realitätsferne Überregulierung". (mho)