Wikipedia: Streit um gemeinfreie Bilder geht zum BGH

Was nutzt die Gemeinfreiheit von Bildern, wenn sie praktisch nicht genutzt werden kann? Wikimedia Deutschland will den Streit mit einem Mannheimer Museum über die Veröffentlichung von Gemälden nun von der obersten Instanz klären lassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 116 Kommentare lesen
Wikipedia: Streit um gemeinfreie Bilder geht zum BGH

(Bild: Wikipedia)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Wikimedia Deutschland geht im Streit über die Veröffentlichung von Gemälden aus einer Mannheimer Galerie vor den Bundesgerichtshof. Zuvor hatte das Oberlandesgericht Stuttgart in einem nun veröffentlichten Urteil (Aktenzeichen 4 U 204/16) gegen den Wikipedia-Autoren entschieden, der zahlreiche Bilder aus dem Bestand der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen in Wikipedias Multimedia-Plattform Wikimedia Commons hochgeladen hatte.

Zwar ist bei den betroffenen Bildern, die zwischen 1660 und 1900 entstanden waren, das Urheberrecht abgelaufen und die Abbildungen stünden damit der Allgemeinheit zur freien Verfügung. Doch die Museumsbetreiber verhindern die kostenlose Verbreitung der Werke. Sie bestehen darauf, dass Fotos der Gemälde, die in einem Bildband veröffentlicht worden waren, unter einem separaten Urheberrechtsschutz als Lichtbilder stehen. Auch die von dem Wikipedia-Autoren selbst im Museum angefertigten Fotografien dürften nicht verbreitet werden, da das Museum solche Aufnahmen ausdrücklich verbiete. Das Museum hatte die seit 2015 andauernden Prozesse unter anderem damit begründet, dass die Bilder auch auf aus Sicht des Museums geschmacklosen Souvenir-Artikeln vermarktet worden waren.

Der beklagte Wikipedia-Autor argumentierte dagegen, dass das Museum auf diesem Wege das Urheberrecht auf den Werken gegen die Intention des Gesetzgebers handele, der ein Ablaufen des Urheberrechtes vorsehe. Zudem seien seine Aufnahmen im Museum mit Erlaubnis einer Angestellten entstanden. Dies wurde allerdings vom Museum selbst bestritten.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat sich in dem Urteil der Argumentation des Museums vollumfänglich angeschlossen. So konnten die Richter keine Regelungslücke erkennen, die eine Entscheidung entgegen der Gesetzeslage erlaubt hätte. "Wenn man die Überlegungen des Beklagten zu Ende führe, müsste man sämtlichen Fotografien von gemeinfreien Gegenständen den Urheberschutz absprechen", erklärten die Richter in der Urteilsbegründung. Dies sei jedoch nicht verhältnismäßig, da sogar Urlaubs-Schnappschüsse vollen Urheberschutz genössen, die aufwändig erstellten Reproduktionsfotografien des Museums aber nur reduzierten Lichtbildschutz. Zudem sei die unerlaubte Fotografie der Werke durch Museumsbesucher ein Eingriff in die Eigentumsrechte des Museums.

Der Verein Wikimedia Deutschland will dieses Urteil jedoch nicht hinnehmen. "Unser aller Recht, unser gemeinsames kulturelles Erbe zu nutzen, muss hier den Verboten durch Institutionen weichen, die wir alle mit Steuergeldern finanzieren", erklärte John Weitzmann, Referent für Politik und Recht. Aus diesem Grund unterstützt der Verein den Wikipedia-Autoren finanziell, um vor dem Bundesgerichtshof das Stuttgarter Urteil zu bekämpfen. Die Reiss- Engelhoff-Museen gehen in einem Parallelverfahren in Berlin auch gegen die Wikimedia Foundation als Betreiber der Wikipedia vor.

Die Wikimedia Foundation war aus einem ähnlichen Rechtsstreit mit der National Portrait Gallery siegreich hervorgegangen, bevorzugt aber die Kooperation mit Museumsbetreibern. So haben viele kulturelle Institutionen einen Wikipedian in Residence engagiert, um die eigenen Bestände der Öffentlichkeit über Wikipedia besser verfügbar zu machen. Zusätzlich wirbt die GLAM-Initiative für die Zusammenarbeit mit Galerien, Bibliotheken, Archiven und Museen. (anw)