Künstliche Intelligenz für alle

Die Möglichkeiten von intelligenter Technik erscheinen fast unbegrenzt. Bei einer Konferenz in Genf ging es jetzt um die Frage, wie sich erreichen lässt, dass sie der gesamten Menschheit zugute kommt.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jamie Condliffe
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Wie lässt sich sicherstellen, dass künstliche Intelligenz den größtmöglichen Nutzen für die gesamte Menschheit bringt? Dabei geht es nicht unbedingt darum, Technik mit einem Gerechtigkeitsgefühl auszustatten. Natürlich ist auch das wichtig – aber den ethischen Zwickmühlen von künstlicher Intelligenz wird bereits viel Aufmerksamkeit gewidmet.

Wie aber kann man dafür sorgen, dass mit vorhandenen Daten trainierte Systeme keine ideologischen Verzerrungen festschreiben, die bestimmte Nutzer diskriminieren? Kann man darauf vertrauen, dass KI-Ärzte Gesundheitsprobleme auf medizinischen Bildern richtig erkennen, obwohl sie nicht erklären können, was sie darauf sehen? Und wie sollten sich autonome Autos bei einem Unfall verhalten?

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Entscheidend ist, dass all diese Fragen eine implizite Annahme enthalten: Künstliche Intelligenz wird bereits eingesetzt, beispielsweise an den Arbeitsplätzen, in den Krankenhäusern und den Autos, die wir alle benutzen. Im reichen Westen mag das zunehmend stimmen, doch für die Milliarden Menschen in ärmeren Teilen der Welt sicher nicht. Um deren Belange ging es bei der Konferenz AI for Good, an der vergangene Woche in Genf Agenturen der Vereinten Nationen, KI-Experten, Politiker und Vertreter von Unternehmen teilnahmen. Das Ziel: "Die von KI eröffneten Chancen bewerten und sicherstellen, dass KI der gesamten Menschheit zugute kommt."

Natürlich ist das eine breite Mission, deren Ende nicht abzusehen ist. Jedoch kann man auch nicht sagen, dass KI nicht bereits für gute Zwecke eingesetzt würde. Facebook hat Maschinenlern-Software entwickelt, die anhand von Satellitenbildern feststellen kann, welche Teile der Welt bewohnt sind, und will das Internet zu allen Menschen bringen. Amazon hat in Zusammenarbeit mit Satellitenbetreibern beispielsweise das Wachstum von Elendsvierteln beobachtet. Und IBM experimentiert mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz, um das Smog-Problem in China zu lindern.

Doch all das sind vor dem Hintergrund von globalen Problemen wie Ungleichheit nur kleine Projekte. Am ersten Tag der Konferenz argumentierte deshalb Yoshua Bengio, ein Informatiker von der University of Montreal, entscheidend sei, KI einzusetzen, um Wohlstand umzuverteilen und Ungleichheit zwischen und innerhalb von Ländern zu verringern.

Erreichen ließe sich das laut Bengio durch eine Konzentration auf Forschung, von der jeder profitiert – etwa auf Verbesserungen für die Umwelt oder auf die Entwicklung von Dienstleistungen für jeden, der ein Telefon hat. Das zweite Beispiel passt gut zu dem zunehmenden Interesse von Unternehmen wie Apple, Google oder Facebook aus dem Silicon Valley, neue KI-Software zu entwickeln, die schneller und effizienter auf Mobiltelefonen läuft und ohne teure Internet-Verbindungen zur Datenübertragung in die Cloud auskommt.

Natürlich ist es nicht einfach, die richtigen Anreize zu schaffen, damit Unternehmen Systeme entwickeln, von denen möglichst viele Menschen profitieren. Schließlich geht es hier um viel Geld. Vor diesem Hintergrund hat der Kognitionswissenschaftler und frühere Uber-Forscher Gary Marcus bei der Konferenz eine interessante Idee vorgestellt: ein CERN für künstliche Intelligenz. In der Physik hat das CERN ein Forum geschaffen, in dem Forscher Anlagen bauen und Theorien testen konnten, die das menschliche Wissen vergrößern, von der Wirtschaft oder normalen Universitäten aber niemals finanziert worden wären. Marcus stellte die Frage, ob Ähnliches auch im KI-Bereich möglich wäre. Vielleicht würde eine solche Organisation Software produzieren, die stets danach strebt, das Wohlergehen von vielen zu fördern statt von wenigen?

Das mag sich anhören wie ein frommer Wunsch. Doch es kann sich lohnen, die Botschaft im Kopf zu behalten, die Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International bei der Konferenz verkündete: "Wenn wir als Grundlage für künstliche Intelligenz die Art und Weise nehmen, wie die Welt heute funktioniert, wird sie mit historischen Verzerrungen durchsetzt sein", erklärte er, und: "Wir können es besser."

(sma)