Moderne Arche soll nicht schwimmen

Es wirkt wie eine Ironie der Geschichte: Ausgerechnet dem Saatgutspeicher auf Spitzbergen machen warme Temperaturen zu schaffen. Dabei soll der Inhalt doch gerade dann nützlich sein, wenn etwa Klimaveränderungen eintreten.

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Rund 1200 Kilometer entfernt vom Nordpol, hinter drucksicheren Türen, 150 Meter tief in einer alten Kohlegrube – hier sollten sie sicher sein. Bis zu 4,5 Millionen Samenproben haben Platz im "Svalbard Global Seed Vault". Der Name des globalen Saatgut-Tresors auf Spitzbergen ist Programm: Seit Herbst 2007 werden hier Samenproben aus aller Welt gelagert. Aktuell sind es rund 930.000. Darunter Mais, Reis, Weizen, Kartoffeln und andere Nutzpflanzen, zurzeit mehr als 5000 Sorten aus 234 Ländern. Denn der Saatgutspeicher, betreut vom Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt, ist gewissermaßen ein "Backup des Backups", wie mein Kollege Peter Glaser in seinem Blogbeitrag treffend schrieb. Länder können Teile ihre Reserven aus eigenen Speichern auf Spitzbergen hinterlegen.

Dort lagern die Sorten dann für den Fall, dass sie einmal als Basis für neue Zucht und neuen Anbau dienen müssen. Etwa bei Katastrophen, wie nach verheerenden Kriegen, Epidemien, Dürren, Hochwasser und so weiter. So soll nicht nur die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln sichergestellt, sondern auch die biologische Vielfalt bewahrt werden. Die Samenproben sind verstaut in robusten Plastikboxen. Ein Kühlsystem hält sie bei -18 Grad. Massive Stahlwände schirmen die Samen vor der rauen Umwelt ab. Ausfallsicher soll das System aber der Permafrostboden machen, der das wertvolle Gut im Notfall nicht wärmer als -3,5 Grad werden lassen soll. In der Presse gilt der Tresor gern als moderne Arche Noah.

Doch dass diese Arche auf Spitzbergen einmal auf Wasser schwimmen soll, war eigentlich nicht geplant. Ganz im Gegenteil. Und dennoch dringt nun Tauwasser in den Eingangsbereich, wie die taz berichtet. Der Grund: warme Temperaturen und viel Regen im vergangenen Herbst. Sie rückten dem Permafrostboden zu leibe. Da wirkt es fast wie eine Ironie der Geschichte, dass gerade der Saatgutspeicher, der eigentlich Rücklagen für weitgreifende Klimaveränderungen bieten soll, selbst unter dem Klimawandel leidet. Manche Kritiker des Tresors plädieren daher dafür, Maßnahmen zu ergreifen, die die Umweltprobleme selbst in Angriff nehmen, so dass eine Speicherung der Samen – für den Fall, dass die Sorten im Freiland aussterben – gar nicht erst notwenig wäre. Das ist wohl richtig und nicht zu vernachlässigen. Der Tresor sollte aber nicht unterlassene Versuche, die biologische Vielfalt zu sichern, entschuldigen. Der erneute Wassereintritt (bereits im Sommer 2008 war der Permafrostboden aufgetaut – ein verformter Stahlmantel war die Folge) zeigt indes umso dringender den Handlungsbedarf in puncto Klima- und Umweltschutz.

(jle)