Klimawandel macht Hitzewellen gefährlicher

Die Erderwärmung sorgt für länger anhaltende Starkwärmeperioden. Betroffen sind vor allem die armen Länder, wie Forscher am Beispiel Indien zeigen.

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Von
  • Michael Reilly
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Allgemein gilt als ausgemacht, dass wir die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels vermeiden können, wenn sich der Planet um weniger als 2 Grad Celsius über die Temperaturen des vorindustriellen Zeitalters hinaus erwärmt. In manchen Weltregionen scheint das aber nicht zu gelten. In Indien konnte schon ein Viertel dieser Erwärmung das Risiko tödlicher Hitzewellen mehr als verdoppeln, wie eine neue Studie, die in "Science Advances" publiziert wurde, zeigt.

In Indien haben sich die durchschnittlichen Sommertemperaturen zwischen 1960 und 2009 um 0,5 Grad erhöht. Dies verstärkt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Hitzewelle mehr als 100 Tote verursacht, um das Doppelte. Und theoretisch ist diese Erkenntnis keinesfalls, wie die Arbeit von Wissenschaftlern an der University of California in Irvine und Los Angeles, zweier weiterer US-Forschungseinrichtungen sowie zweier Hochschulen in Indien zeigt.

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Es gab Hitzewellen in den Jahren 2010, 2013 und 2015, die jeweils Tausende Menschen in ganz Indien umbrachten. Im Mai 2016 verzeichnete Jaisalmer im Nordwesten des Landes die intensivste Hitzewelle Indiens aller Zeiten. In einer in Pakistan gelegenen Nachbarstadt wurde im Mai 2017 gar die höchste Temperatur gemessen, die je in einem Wonnemonat auf dem Planeten aufgezeichnet wurde: 53,4 Grad Celsius.

Würde diese Hitze in Regionen auftreten, in denen die meisten Menschen eine Möglichkeit haben, sich abzukühlen, wäre sie weniger gefährlich. Doch rund 24 Prozent der indischen Bevölkerung von aktuell 1,24 Milliarden Menschen leben von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag. Klimaanlagen kann sich so niemand leisten. Das sind also Personenkreise, die vom Klimawandel überproportional stark betroffen sein werden – oder es schon jetzt sind. Und die Prognosen fallen noch schlimmer aus: Die Temperatur in Indien könnte sich bis zum Ende des Jahrhunderts nochmals um 2,5 bis 5,5 Grad Celsius erhöhen.

Die University-of-California-Studie ist nur die jüngste Untersuchung, die darauf hindeutet, dass der Klimawandel die globale Ungleichheit noch verstärken könnte. Diejenigen, die nicht durch extreme Hitze sterben, leiden unter subtileren Auswirkungen, etwa Missernten und Schäden für die allgemeine wirtschaftliche Produktivität.

Reichere Menschen und ihre Länder können sich besser der Erderwärmung anpassen. In Nordeuropa könnte der Klimawandel gar das Bruttoinlandsprodukt erhöhen, wenn es dort wärmer wird, wie andere Forscher herausgefunden haben.

Im größten Teil der Welt dürfte es aber ähnlich aussehen wie in Indien: Eine große Zahl von Menschen wird es nicht besser haben, sondern schlechter – sollten nicht zuvor drastische Maßnahmen ergriffen werden. Die Ressourcen, mit der Erderwärmung umzugehen, fehlen sonst schlicht.

(bsc)