Niedersachsen will vor Gericht Videoaussagen von Opfern einführen

Niedersachsen will bei der Justizministerkonferenz Neuland betreten. Das Land plant eine Ausweitung der gerichtlichen Videoaussagen.

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Hammer auf Richterbank

(Bild: dpa, Uli Deck)

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  • dpa

Opfer schwerer Straftaten sollen nach dem Willen der niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) künftig ihre Aussagen vor Gericht auch per Direktvideo machen können. Bei der Justizministerkonferenz am 21. und 22. Juni will sie für die bundesweite Umsetzung einer entsprechenden Landesinitiative werben. "So ein Verfahren erspart den Opfern peinliche Auftritte im Gerichtssaal", sagte die Ministerin der Deutschen Presse-Agentur. Die Initiative zielt vor allem auf erwachsene Opfer von Sexualstraftaten.

In Niedersachsen wird das bei Minderjährigen seit 2010 mit dem so genannten Braunschweiger Modell praktiziert, das gerade landesweit ausgerollt wird. Künftig sollen auch Erwachsene bei Gerichtsverhandlungen in einem Nebenraum vor laufender Videokamera vernommen werden können - auch, um möglichen Peinigern nicht begegnen zu müssen oder durch die Kulisse vor Gericht eingeschüchtert zu werden. Die Justiz erhofft sich eine bessere Qualität der Aussagen und höhere Verurteilungsraten.

"Das verkürzt nicht nur die Hauptverhandlung, sondern erspart auch eine zweite Traumatisierung des Opfers", sagt der Vorsitzende des niedersächsischen Richterbundes, Frank Bornemann. Die Erfahrung zeige, dass viele Angeklagte auf eine erneute Vernehmung in der Hauptverhandlung verzichteten, wenn bereits eine Aussage des Opfers vorliege. Voraussetzung für eine bundesweite Ausdehnung dieses Modells sei allerdings eine hieb- und stichfeste Ton- und Videoaufzeichnung.

Auch der Opferverband "Weisser Ring" steht hinter diesem Schritt. "Aus Sicht des Weissen Rings ist das natürlich zu begrüßen, und ich würde mir auch wünschen, das andere Bundesländer das auch einführen", sagt Rainer Bruckert, Landesvorsitzender des "Weissen Rings" in Niedersachsen. Allerdings weist er daraufhin, dass es in der praktischen Umsetzung noch viel Überzeugungsarbeit bei den Richtern zu leisten gibt. Bruckert: "Da gibt es noch viel Luft nach oben."

Er sieht trotz der enormen technologischen Fortschritte bei der Videoaufzeichnung heute zudem rechtliche Fragen. "Das Auftreten eines Opfers vor Gericht ist ja eine Säule unseres Rechtssystems – das aufzuweichen, dürfte auch verfassungsrechtliche Bedenken auslösen.

Die Videovernehmung für junge Missbrauchsopfer wird in Niedersachsen gerade flächendeckend installiert und soll nun auch auf andere Fallgruppen übertragen werden. Vorrangig geht es aber um erwachsene Opfer von Sexualstraftaten. "Dabei werden Opfer von Straftaten vor der Hauptverhandlung durch einen Richter vernommen", so Ministerin Niewisch-Lennartz. Videokameras zeichnen das Gespräch auf und registrieren Mimik und Gestik. In einem anderen Raum sitzen der Beschuldigte mit seinem Anwalt und die Staatsanwaltschaft. "Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht", so die niedersächsische Ministerin. (axv)