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Talbot-Matra Rancho: Mon Frère Chaos

Ein Auto, das seiner Zeit Jahrzehnte voraus war und deswegen der Grundstein für die zwei größten Fahrzeugtrends der vergangenen 30 Jahre war: Vans und SUV. Der Talbot-Matra Rancho

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Talbot-Matra Rancho 9 Bilder
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Blick immer auf die positiven Dinge. Blick nach vorne. Antonis Volanis, der Designer, der für den Talbot-Matra Rancho verantwortlich war, tat das. Er hatte ein Auto entwickelt, das seiner Zeit so weit voraus war, dass es die zwei kommenden Megatrends im Automobilbereich vorwegnahm. Ohne dass die Firma, für die er eigentlich gearbeitet hatte, je davon profitiert hätte. Ihre eigene Schuld.

Der eine Megatrend, das waren die SUV. Also zivilisierte, urbanisierte Geländewagen. Diesen Trend hatte Volanis tatsächlich vorhergesagt und die Zielgruppe richtig eingeschätzt. Das Ergebnis, der Talbot-Matra Rancho, war fertig gedacht, wurde aber nie fertig gebaut. Rostprobleme, kein optionaler Allradantrieb, wechselnde Firmen und Marken, Arbeitsniederlegungen ... wahrscheinlich konnte man froh sein, dass zwischen dem Ende der 1970er bis Anfang der 1980er überhaupt noch Autos gebaut wurden in dem Chaos.

Vans sollten zum zweiten Megatrend werden, den Volanis vorweg genommen hatte. Und für diesen Trend legte er zwar eine zeitliche Punktlandung hin, bediente damit aber nicht PSA, für die der Entwurf eigentlich gedacht war, sondern Renault. Also den größten Konkurrenten. Eine Geschichte, zwei vertane Chancen, drei Akte.

Akt 1: Der BWL-Fiebertraum

Was sich zwischen 1970 und 1985 auf dem französischen Automarkt abspielte, war nichts weniger als der perfekte Sturm für Betriebswirte. Eine chaotische französisch-amerikanische Geldvernichtungsmaschine, die auf Hochtouren lief.

Wer einen Anfang sucht, der nimmt das Jahr 1958. Damals kaufte Chrysler die ersten 15 Prozent an Simca. Die schafften es ein Jahr später Fiat als Partner an Land zu ziehen und produzierten in Lizenz italienische Autos. Diesen Anfangsschwung nahm Simca mit und kaufte 1959 Talbot. Die Geschichte von Talbot war zu diesem Zeitpunkt bereits eine sehr bewegte, soll aus Übersichtsgründen aber weg gelassen werden. Wichtig ist: Talbot gehörte ab sofort zu Chrysler-Simca. Die Amerikaner erhöhten bis 1971 ihren Aktienanteil auf beinahe 100 Prozent.

Im gleichen Zeitrahmen war Jean-Luc Lagardère auf Shoppingtour. Sein Konzern war in der Raum- und Luftfahrt aktiv, baute Waffen und Computer, Telekommunikations- und Transportlösungen und sollte durch die Übernahme von Matra mit einer Automobilproduktion abgerundet werden. Das war 1964. Das Missverständnis wurde bereits 1970 aufgelöst, als Simca-Chrysler den Vertrieb übernahm und fortan Autos mit dem Namen Matra-Chrysler-Simca anbot. Warum – das blieb stets ein Geheimnis. 1971 wurde das Markenkonvolut dann auch in Chrysler Europe umbenannt. Mit in der Bilanz: Simca, Talbot und Matra.

Auftritt Peugeot. Das Unternehmen war in den 70er Jahren auf Wachstumskurs und übernahm 1974 erst einmal Citroën, wodurch der PSA-Konzern entstand. 1978 schluckte PSA dann das Chrysler-Simca-Talbot-Matra-Gewirr.

Das erste Opfer dieser Übernahme wurde die Marke Simca. Deren Modelle vertrieb PSA fortan unter dem Namen Talbot-Matra. Auch hier blieben Sinn und Zweck eher nebulös.

Wenn schon für sonst niemanden, so gab es immerhin für Talbot langfristige Pläne. Mit dieser Marke und einem von BMW entwickeltem Motor hätte Talbot die Formel 1 aufmischen sollen. Vor allem um Renault, dem ewigen Erzfeind, einen würdigen Gegner auf die Strecke zu stellen. BMW gab den Motor allerdings an Brabham, weswegen sich Talbot mit dem Rennstall Équipe Ligier zusammen tat und zwei Jahre lang (1981 und 1982) als Équipe Talbot Gitanes Gas gab – mit einigen Achtungserfolgen.

Eher wenig überraschend entwickelte sich diese Konstellation zu einem finanziellen Desaster. PSA häufte Verluste in bis zu diesem Zeitpunkt ungekannten Dimensionen an. Talbot wurde 1984 ausgegliedert, damit PSA nicht für deren Konkurs verantwortlich gemacht werden konnte. Matra, ein Name den Peugeot an Talbot geknüpft hatte, arbeitete ab diesem Zeitpunkt mit Renault zusammen. Dazu später mehr.

Akt 2: Der Talbot-Matra Rancho

Quasi nebenbei wurden in diesem Chaos auch noch Autos entwickelt und – man lese und staune – sogar gebaut. So hatte Antonis Volanis, ein griechischer Designer, der auch für Tefal Produkte entwarf und später im Yachtdesign zur Ruhe kam, den Rancho entworfen. Das Fahrzeug wurde auf dem Genfer Autosalon 1977 zum ersten Mal präsentiert. Was vor allem heißt, dass Volanis das Fahrzeug noch für Chrysler Europe (Simca, Talbot, Matra) auf die Räder gestellt hatte und nicht für PSA. Ehre, wem Ehre gebührt.

Basis war ein schon damals nicht mehr taufrischer Simca 1100, dem erstens neue Karosserie-Bauteile aus glasfaserverstärktem Kunststoff und damit zweitens Geländewagenoptik spendiert wurden.