Forscher: "Twitter und Facebook müssen mehr gegen politische Propaganda unternehmen"

Politische Kräfte in aller Welt versuchen, über soziale Netzwerke die öffentliche Meinung zu manipulieren, haben Oxford-Wissenschaftler untersucht. Sie meinen, die Netzwerke könnten mehr dagegen unternehmen.

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Forscher: "Twitter und Facebook müssen mehr gegen politische Propaganda unternehmen"

(Bild: Jennie (CC BY-SA 2.0))

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Die sozialen Netzwerke Twitter und Facebook werden in diversen Ländern massiv dafür genutzt, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Sie sollten mehr dafür sorgen, den politischen Einfluss einzudämmen, fordert das Projekt Computational Propaganda Research der britischen Universität in Oxford im Anschluss an eine Studie, für die zwölf Forscher sieben Plattformen in neun Ländern untersuchten – darunter auch Deutschland.

Für die Fallstudie hierzulande interviewte die Wissenschaftlerin Lisa-Maria N. Neudert Kampagnenmacher, Wissenschaftler, Journalisten, Bot-Entwickler, Politiker, Computer-Experten, Lobbyisten und Social-Media-Manager. Auch betrachtete sie das Mitteilungsaufkommen auf Twitter zur Bundespräsidentenwahl im Februar. Dabei hat sie festgestellt, dass der Traffic im Zusammenhang mit AfD und deren Kandidaten Albert Glaser einen auffallend hohen Anteil an den Tweets hatte, vor allem gemessen an deren vergleichsweise geringer Wählerunterstützung. So sei der spätere Wahlgewinner in 54 Prozent der untersuchten Tweets thematisiert worden, Glaser und die AfD in 40 Prozent.

Der Einfluss von politischen Bots sei dabei gering gewesen, befindet Neudert weiter, hoch automatisierte Accounts seien nur für einen kleinen Anteil der Twitter-Aktivität verantwortlich gewesen. Das scheint sich in Russland anders zu verhalten, hat das Projekt ermittelt. Dort seien 45 Prozent der hochfrequenten Accounts automatisiert. Russland sei insgesamt ein Vorreiter dabei, Techniken für die Beeinflussung sozialer Netzwerke zu entwickeln. Diese würden beispielsweise vor allem in Konfliktfällen wie mit der Ukraine eingesetzt, aber auch, um im Ausland Wahlen zu beeinflussen.

Der Anteil automatisierter Accounts sei in Deutschland zwar vergleichsweise gering, schreibt Neudert. Dennoch spielten Fake News und Desinformation in deutschen sozialen Medien eine substanzielle Rolle. So seien etwa 20 Prozent der politischen Nachrichten und Informationen hierzulande auf Twitter falsch. Solcherlei sei bedeutend angesichts der Tatsache, dass beispielsweise der damalige US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump das Instrument Twitter in den Zentrum seiner Kampagne gestellt hatte. Über Bots würden nicht nur Meldungen verbreitet, sondern auch Beiträge auf Twitter, Facebook oder Instagram automatisiert geliket oder geteilt. Dadurch könne Aufmerksamkeit gesteigert werden und der Eindruck entstehen, eine bestimmte politische Strömung habe mehr Unterstützer als in der Realität.

Um solcher Propaganda entgegenzutreten empfiehlt Neudert, diese sorgfältig zu beobachten und die Öffentlichkeit besser aufzuklären, um eine höhere Medienkompetenz zu erreichen. Insgesamt aber wirft das Oxford-Projekt den sozialen Netzwerken vor, zu wenig Interesse daran zu haben, politische Aktivitäten einzudämmen. Faktenchecks und Antibotsysteme würden zwar eingesetzt, aber vor allem gegen privatwirtschaftliche Aktionen.

Deutschland attestiert Neudert, Vorreiter im Kampf gegen gefälschte Informationen zu sein. Doch zeichne sich ab, dass einige Vorkehrungen zu übertrieben sein und sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung auswirken können, schreibt sie, ohne sich auf Konkretes zu beziehen. (anw)