Rundfunkstaatsvertrag: Kampf um die "Hoheit über die Bildschirme der Nutzer"

Die Digital- und Elektrobranche reibt sich an zentralen Punkten in einem Vorschlag aus NRW zur "Plattformregulierung" wie einem weitgehenden Verbot von Ein- und Überblendungen beim Smart-TV und einer Anzeigepflicht für große Sender.

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(Bild: dpa, Caroline Seidel/Archiv)

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Ein Entwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen zur erneuten Änderung des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) von April unter dem Aufhänger der "Plattformregulierung" ist der Digitalbranche ein Dorn im Auge.

Mit Anga, Bitkom, eco und ZVEI beklagen gleich vier Verbände von Kabelnetzbetreibern, der Digital- und Internetwirtschaft sowie der Elektronikindustrie in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass die im Auftrag der anderen Länder von NRW vorangetriebene Initiative Sendern und Inhalteanbietern "die Hoheit über die Bildschirme der Nutzer" in die Hand geben und "bestehende Marktdominanz weiter verstetigen" würde.

Die Branchenvereinigungen hatten im Rahmen einer Anhörung bereits einzeln Positionspapiere an die federführende NRW-Staatskanzlei geschickt. Kurz vor einem Expertengespräch in der Düsseldorf Regierungszentrale am Dienstag versuchen sie sich nun noch einmal gemeinsam Gehör zu verschaffen. "Durch ein Verbot, Rundfunk und rundfunkähnliche Telemedien ohne Zustimmung der Sender zu überblenden oder andere Inhalte im Wege der Bildschirmskalierung einzublenden, wird die Nutzerautonomie in erheblichem Maß beschnitten", warnen sie darin. Die Klausel würde "Meinungswettbewerb behindern" und gleichzeitig die User bevormunden.

Stein des Anstoßes in dem heise online vorliegenden Regierungspapier ist der geplante Paragraf 52 a RStV, wonach Rundfunkprogramme oder ähnliche Telemedien auch in Auszügen von Dritten nicht ohne Plazet des jeweiligen Anbieters verändert sowie "vollständig oder teilweise mit anderen Inhalten oder mit Empfehlungen oder mit Hinweisen auf andere Inhalte überblendet" oder ihre Darstellung skaliert werden darf. Auch eine Aufnahme in andere Angebotspakete oder sonstige Vermarktung soll verboten werden. Ausnahmen von dieser Regeln könnten Nutzer nur noch "im Einzelfall", also "nicht pauschal im Vorfeld" genehmigen.

Twitter-Feeds, E-Mail-Benachrichtigungen oder auch Warnmeldungen moderner Smart-Home-Systeme könnten folglich nur noch eingeblendet werden, wenn der jeweilige Inhalteanbieter dies vorher genehmigt hat, moniert die Allianz. Anwendungen wie Such- und Empfehlungsmechanismen, Vorschaubilder und Split-Screens könnten im Smart-TV nicht mehr nutzerfreundlich realisiert werden. Dabei eigneten sich gerade Empfehlungssysteme dazu, Nutzern die gesamte Vielfalt der vorhandenen Inhalte zu erschließen. Aus Sicht der Verbände sollte wenigstens ein einmaliges Opt-in ausreichen, um entsprechende Anwendungen zuzulassen.

Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) begrüßt dagegen die vorgesehene Klausel. Insbesondere die unautorisierte Überlagerung von Inhalten mit Werbeeinblendungen ermögliche es Dritten, die von den Rundfunkanbietern "durch qualitativ hochwertige und investitionsintensive Programme erzielten Reichweiten für eigene Geschäftsmodelle zu nutzen", heißt es bei den Privatsendern. Das Verbot sollte sich ihnen zufolge auch auf die "Weiterverbreitung beziehungsweise öffentliche Zugänglichmachung" erstrecken, um illegales Streaming zu erschweren. Schon 2010 machten die privaten Sender gegen Widgets auf ihren Wellen mobil und beklagten mögliche "parasitäre Nutzungen" bei Internet-fähigen Hybrid-TVs.

Der spontane Verbändezusammenschluss kritisiert ferner, dass laut dem Entwurf vor allem öffentlich-rechtliche Sender und ihre Inhalte in Übersichten wie elektronischen Programmführern "besonders hervorzuheben und leicht auffindbar zu machen sind". Das Privileg soll sich erstrecken auf Angebote, "die aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung in besonderem Maß zur Vielfalt beitragen". Genannt werden in diesem Zusammenhang neben ARD und ZDF auch "private Vollprogramme".

Eine solche Privilegierung einzelner Inhalte "bedeutet eine Diskriminierung anderer", warnen Anga, Bitkom, eco und ZVEI. Gleichzeitig erschwere es eine solche Vorgabe hierzulande tätigen Anbietern, "wettbewerbsfähige und auf Kundenwünsche zugeschnittene Angebote zu entwickeln". Am Ende verlören dadurch alle – "Netzbetreiber, Gerätehersteller, Sender und vor allem Nutzer". Für ähnliche "Must-be-Found-Regeln" für gesellschaftlich relevante Inhalte macht sich derweil auch die SPD in ihrem Wahlprogramm bei Plattformen wie Google oder Facebook stark. (kbe)