Sommertheater

Diesel-Gipfel in Berlin

Schon seit Wochen wird mit großem medialem Aufwand auf den Diesel-Gipfel hingearbeitet. Mitten im Sommerloch soll dort mit prominenter Besetzung über die Zukunft des Selbstzünders beraten werden. Dient das nun tatsächlich der Lösung von Problemen?

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Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Schon seit Wochen wird mit großem medialem Aufwand auf diesen Tag hingearbeitet. Mitten im Sommerloch soll auf einem „Diesel-Gipfel“ mit prominenter Besetzung über die Zukunft des Selbstzünders beraten werden. Dient das nun tatsächlich der Lösung von Problemen oder doch eher der Produktion schöner Bilder in einer nachrichtenarmen Zeit? Die Meinungen darüber gehen auseinander, doch man tut wohl gut daran, die Erwartungen auf wegweisende und mutige Beschlüsse niedrig zu halten.

Bei dem Spitzentreffen von Bund, Ländern und Autobranche geht es um Nachbesserungen bei der Abgasreinigung von Millionen Diesel-Autos in Deutschland und die Förderung eines möglichst abgasarmen Verkehrs in den Städten. Die Verpflichtung der Hersteller zu Softwareupdates gilt als sicher.

SCR-Kat nachrüsten

Streit gab es bis zuletzt um die Frage, ob unter Umständen auch ein SCR-Kat verpflichtend nachgerüstet werden muss, um den Stickoxid-Ausstoß der Fahrzeuge zu senken und drohende Fahrverbote in Städten zu verhindern. Die Autobranche hat bisher nur günstigere und einfachere Updates angeboten. Der Unterschied hinsichtlich der Kosten ist enorm: Ein Update würde die Hersteller rund 50 bis 100 Euro pro Auto kosten, die Nachrüstung eines SCR-Kats nach derzeitigem Stand etwa 1500 Euro. Die Autoindustrie wird sich also mit allem, was ihr zur Verfügung steht, gegen letzteres wehren – solange sie die Kosten dafür tragen soll.

Beim Softwareupdate wird mindestens die Abgasrückführrate erhöht, bei Motoren mit SCR-Katalysator kann selbstverständlich auch die Harnstoffmenge heraufgesetzt werden. In modernen Motoren (bei Otto- und Dieselmotoren) wird ein Teil des Abgases über ein Abgasrückführ-Ventil (AGR-Ventil) wieder in den Ansaugtrakt zurückgeführt. Dieser Abgasanteil im Frischgas senkt die Verbrennungstemperatur auf Werte, bei denen kaum noch Stickoxid entsteht. Die Umsetzung ist vergleichsweise leicht, das Resultat ist ein, je nach Modell, deutlich erkennbarer Rückgang des Stickoxideintrags im Abgas. Die Sache hat jedoch einen Haken: Nicht nur das AGR-Ventil wird dabei stärker belastet, sondern auch der Ansaugtrakt. In Foren finden sich schon jetzt wahre Horrorbilder von zugesetzten Ansaugbereichen. Wenn die AGR-Rate hochgesetzt wird, wird diese sogenannte Versottung zunehmen. Der Hersteller hatte die Menge der Abgase, die zurückgeführt wird, nicht ohne Grund so bestimmt. Der Dumme ist am Ende der Kunde, der die Langzeitrechnung dafür übernehmen darf.

Bei der Anhebung der eingespritzten Harnstoffmenge in SCR-Katalysatoren wird ein größerer Anteil des bereits bei der Verbrennung entstandenen NOx in unschädliches Wasser und Stickstoff zerlegt. Die Kundennachteile sind häufigeres Nachfüllen des (kleinen) Harnstofftanks (in Eigenleistung außerhalb der Werkstattintervalle) und erhöhter Verschleiß der Düse durch Ablagerungen.

Bei beiden Maßnahmen drohen also höhere Kosten, häufigere Schäden und mehr Kundenärger, weshalb die Hersteller hier wohl nicht „in die Vollen gehen“ wollen sondern so zurückhaltend wie möglich agieren werden.

Zugesetzt

Wie so oft sind solche langfristigen Folgen natürlich nichts für eine aufgeheizte Diskussion in der Öffentlichkeit. Dort geht es darum, mit markanten Aussagen, die für eine relevante Zahl von Wählern plausibel erscheint, zu punkten. Und so plädieren Autoindustrie und vereinzelt auch Politiker für „Software-Nachrüstungen“. Während man ersteren unterstellen kann, dass sie die Folgen sehr genau kennen, darf das bei letzteren zumindest vereinzelt bezweifelt werden.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sagte der Passauer Neuen Presse vor dem Treffen, Ziel sei es, Ökologie und Mobilität näher zusammen zu bringen und eine Perspektive für die Mobilität der Zukunft zu geben. „Fest steht: Euro-5- und Euro-6-Dieselmotoren können mit neuer Steuerungssoftware deutlich verbessert werden. Völlig klar ist: Die Kosten von Umrüstungen muss die Industrie tragen. Den Kunden dürfen keine Extrakosten entstehen“, sagte Dobrindt. „Dazu muss die Industrie die Umrüstung von Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen umsetzen.“ Zudem erwarte er ein „akzeptables Angebot der Automobilindustrie“ zur Senkung der Schadstoffbelastung in deutschen Städten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten „auch die älteren Fahrzeuge einen Beitrag leisten“, erklärte der Minister.