Bundesbehörden setzten digitale Ermittlungsinstrumente intensiver ein

Das BKA hat im ersten Halbjahr 2017 massiv auf das digitale Ermittlungsinstrument der Mobilfunk-Rasterfahndung mit Funkzelleauswertungen gesetzt. Beim Einsatz von Funkzellenauswertungen und IMSI-Catchern ist ein neues Allzeit-Hoch zu verzeichnen.

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Bundesbehörden setzten digitale Ermittlungsinstrumente intensiver ein
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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Das Bundeskriminalamt führte im ersten Halbjahr 2017 149 nicht-individualisierte Funkzellenauswertungen durch, wie aus der aktuellen Antwort auf eine kleine Anfrage des linken Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko hervorgeht, die heise online vorliegt. Seit 2012 erkundigen sich linke Bundestagsabgeordnete halbjährlich bei der Bundesregierung, wie Bundesbehörden mit neuen digitalen Ermittlungsinstrumenten umgehen.

Im zweiten Halbjahr 2016 hatte die Bundesregierung für das Bundeskriminalamt keine Zahlen geliefert. Im ersten Halbjahr 2016 hatte es nur 3 Auswertungen durchgeführt. Es ist nicht bekannt, aus welchen Gründen die mobile Rasterfahndung durchgeführt wurde und ob sie erfolgreich war. Deshalb kommt der plötzliche Anstieg im ersten Halbjahr 2017 überraschend.

Weniger drastisch zeigt sich die Entwicklung bei anderen Bundesbehörden: Die Zahl der Funkzellenauswertungen ging bei der Bundespolizei von 31 im zweiten Halbjahr 2016 auf 26 im ersten Halbjahr 2017 zurück. Beim Zollfahndungsdienst hingegen nahm sie von 68 auf 84 zu. Insgesamt führten Bundesbehörden im ersten Halbjahr dieses Jahres 259 Funkzellenauswertungen selbst durch, was für den Bund ein Allzeithoch darstellt. Bislang ist kein Fall bekannt geworden, in dem Betroffene über die Auswertungen benachrichtigt wurden. Die Bundesregierung begründet dies regelmäßig mit dem Hinweis auf laufende Ermittlungsverfahren, wobei sie über bereits abgeschlossene Verfahren keine Auskunft erteilt.

Der Bundesverfassungsschutz verschickte 130.887 "Stille SMS", die nicht auf dem Empfängergerät angezeigt werden, jedoch auswertbare Verbindungsdaten erzeugen. Das Bundeskriminalamt (BKA) setzte im ersten Halbjahr 2017 das Ermittlungsinstrument 23.646 Mal ein.

Die Bundespolizei verschickte 40.077 SMS, vor einem Jahr waren es noch 92.027 SMS gewesen. Der linke Abgeordnete Jan Korte erklärt den Rückgang damit, dass das Großverfahren zum Schutz von Bahnanlagen beendet wurde. Die Einsatzintensität bleibt im Bund gleichwohl hoch: Insgesamt verschickten die Bundesbehörden mit rund 195.000 SMS, wobei sie aber unter dem Allzeithoch im ersten Halbjahr 2016 mit rund 210.000 SMS blieben. Korte kritisiert, dass die Bundesregierung die Einsatzzahlen von Zoll und Bundesnachrichtendienst auch bei der Beantwortung dieser kleinen Anfrage erneut geheim gehalten hat.

Nach einem vorübergehenden Einbruch im vergangenen Halbjahr hat sich die Zahl der IMSI-Catcher-Einsätze wieder deutlich erholt und ein neues Allzeit-Hoch erreicht: Insgesamt setzten Bundespolizei und Bundeskriminalamt diese Geräte 61 Mal ein. IMSI-Catcher spielen einem Mobiltelefon vor, ein normaler Funkmast zu sein, und greifen dabei dessen ständige Signale ab. Damit können bis dahin den Behörden unbekannte Geräte geortet und identifiziert werden.

Die Bundespolizei setzte im ersten Halbjahr 2017 die Geräte in 37 Fällen ein. Im Halbjahr davor waren es 19 Fälle gewesen. Das Bundeskriminalamt setzte die IMSI-Catcher in 24 Fällen ein, im Halbjahr zuvor waren es 16 gewesen. In keinem Fall wurden die Betroffenen über die Einsätze benachrichtigt. Ausfuhrgenehmigungen für die Geräte wurden für die Bestimmungsländer Lettland, Libanon und Tunesien erteilt. Der Einsatz von WLAN-Catchern spielte im vergangen Halbjahr keine Rolle.

Die Bundesregierung gibt auch Kosten verschiedener polizeilicher Informationssysteme an. Spitzenreiter mit 640.000 Euro ist der Zoll mit seinem IT-Verfahren "ZenDa-ProFiS", gefolgt vom Fallbearbeitungssystem B-Case, für das 436.505 Euro ausgegeben wurden. Eingesetzt wird B-Case von der Bundespolizei, dem BKA und verschiedenen Bundesländern.

In ihrem jüngsten Tätigkeitsbericht hatte die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff darauf hingewiesen, dass B-Case "für die Speicherung von Zeugen und Hinweisgebern nicht in Betracht" kommt. Es differenziere nicht zwischen den verschiedenen gesetzlich zulässigen Speicherzwecken. Außerdem stehen die Daten "unbegrenzt" für Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zur Verfügung, was jedoch unzulässig ist. Das Fachblog "Cives" sieht daher in dem fortgesetzten Einsatz des Systems eine "Abgasaffäre der polizeilichen Informationstechnik". (anw)