"Elbphilharmonie der Forschung": Röntgenlaser European XFEL beginnt Nutzerbetrieb

Ein Leuchtturmprojekt für die Wissenschaft soll der Röntgenlaser European XFEL in Hamburg sein. Weil die Anlage aber tief unter der Erde liegt und vom Betrieb kaum etwas zu sehen ist, soll nun ein anderer Leuchtturm etwas Glanz zum Start abgeben.

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"Elbphilharmonie der Forschung": Röntgenlaser European XFEL beginnt Nutzerbetrieb

(Bild: European XFEL)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Bernhard Sprengel
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Als "Elbphilharmonie der Forschung" sieht Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) die neue Röntgenlaseranlage European XFEL und will die Eröffnung deshalb entsprechend feiern. Von dem Konzerthaus soll am Montagabend ein "Lasergruß" über Hamburgs Dächer nach Schenefeld gesendet werden. Der Ort an der Stadtgrenze im Kreis Pinneberg (Schleswig-Holstein) ist Endpunkt der 3,4 Kilometer langen unterirdischen Anlage, die in Hamburg-Bahrenfeld beginnt. Die Superkamera für kleinste Teilchen im Nanokosmos nimmt am 1. September offiziell den Nutzerbetrieb auf.

Es gibt tatsächlich Parallelen zwischen der Elbphilharmonie und dem XFEL (X-Ray Free-Electron Laser / Röntgenlicht-Freie-Elektronen-Laser): Beide fußen auf älteren Fundamenten, die Elbphilharmonie auf einem Kaispeicher aus den 60er Jahren, der XFEL ist eng mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) in Bahrenfeld verbunden, wo ebenfalls seit den 60er Jahren mit Teilchenbeschleunigern gearbeitet wird. Auch die Bauzeit – zehn beziehungsweise acht Jahre – sowie die Kosten, 789 Millionen für die Elbphilharmonie und 1,22 Milliarden Euro für den XFEL, sind nicht so weit voneinander entfernt. Aber vor allem: beide Projekte beanspruchen, ganz neue Maßstäbe in ihren Bereichen zu setzen.

Einweihung des XFEL (9 Bilder)

Einer der Tunnel des XFEL
(Bild: European XFEL)

Im XFEL sollen die hellsten Röntgenblitze der Welt erzeugt werden, bis zu 27.000 pro Sekunde. Die Leuchtstärke soll milliardenfach über dem liegen, was vergleichbare Anlagen bislang leisten können. Forscher sollen mit Hilfe der ultrakurzen Röntgenblitze dreidimensionale Aufnahmen in atomarer Auflösung machen können. Dabei sollen Details von Viren und Zellen sichtbar werden. Auch das Filmen chemischer Reaktionen soll möglich sein. Belichtungszeiten von billiardstel Sekunden sorgen dabei für scharfe Aufnahmen.

Derzeit erzeugt der XFEL erst mehrere hundert Blitze pro Sekunde, wie Pressesprecher Bernd Ebeling sagt. Damit übertrifft das Projekt an Leistungskraft aber bereits vergleichbare Anlagen in den USA und Japan. Die ersten Experimente ab Mitte September sollen auch ein Test für den XFEL sein und helfen, ihn weiter zu verbessern. Bislang gibt es zwei Experimentierstationen (die Instrumente), in die der Röntgenstrahl gelenkt werden kann. In den nächsten Jahren sollen vier weitere Stationen hinzukommen. Zwei Wissenschaftler aus Australien und Polen, die beide bereits in Hamburg tätig sind, werden voraussichtlich die ersten Nutzer sein. Anton Barty und Kollegen wollen Bilder von Biomolekülen gewinnen, Wojciech Gaweldas Team plant, eine chemische Reaktion zu filmen.

Elf europäische Länder sind am XFEL beteiligt. Größte Geldgeber sind Deutschland mit 58 und Russland mit 27 Prozent. Die übrigen Länder sind mit jeweils 1 bis 3 Prozent der Kosten dabei. Spannungen in der internationalen Politik hätten die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Russland nicht beeinträchtigt, versichert Ebeling. "Russland hat sehr viel beigetragen, nicht nur finanziell, sondern auch an Know-how und Bauteilen." Ursprünglich komme sogar die Idee für einen Freie-Elektronen-Laser aus Moskau.

Auch die Kooperation mit Großbritannien laufe sehr gut. Der Beitritt des Landes zu dem Forschungsprojekt werde bis Ende des Jahres unterzeichnet sein. Die Briten hatten zu Beginn des Projekts im Jahr 2009 aus finanziellen Gründen zunächst einen vorgezogenen "Brexit" gemacht. Jetzt gehören britische und russische Forscher zu den ersten Nutzern, denen bereits Experimentierzeit eingeräumt wurde.

Bei so viel europäischer Eintracht könnte bei der Feier am Freitag eigentlich Beethovens "Freude schöner Götterfunken" gespielt werden, wie bei der Eröffnung der Elbphilharmonie. Doch für eine solche Überhöhung ihrer Arbeit sind nüchterne Wissenschaftler wohl nicht zu haben. Darum soll nur eine Band die 800 Gäste aus Politik und Wissenschaft mit einem Medley aus Melodien der Partnerländer erfreuen. (mho)