Was war. Was wird. Von Spätzündern und politischen Zündlern in Nebelbänken
Der Grill? Das Auto? Der Auto-Grill? Grill-Autos gibt's nicht, oder? Des Deutschen liebstes Kind wirbelt durch den Wahlkampf. Und nebelt nicht erst zur IAA alles zu, grummelt Hal Faber. Da tauchen noch ganz andere Bugs auf, nicht nur bei den Wahlkämpfern.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was war.
*** Die Menschheit hat ein Menschheits-Rätsel weniger. Nicht Kryptologen wie William Friedman oder Spökenkieker wie John Dee haben das Geheimnis des Voynich-Manuskriptes gelöst, sondern ein ausgebildeter Mediävist mit guten Kenntnissen der damals populären Texte. Mit britischer Gelassenheit wird die Spurensuche beschrieben und die Lösung präsentiert. Das Manuskript beschreibt die Behandlung von Frauenkrankheiten im Mittelalter, wobei das Baden und die Beachtung der Sternenkonstellationen eine ganz besondere Bedeutung hatten. Ohne die Astrologie ging damals gar nichts, das war die Plicht-App der dunklen Zeit. Das 500 Jahre alte Manuskript ist ein Vorlagenheft für Wellness-Kuren und kein mittelalterlicher Schabernack oder eine okkulte Ritensammlung mit Zaubersprüchen. Nun muss nur noch die Frage gelöst werden, ob Tintenfische die Reste von auf der Erde überlebenden Aliens sind, mit einem seltsamen Sinn für Humor.
*** Huch, schon wieder hatten wir ein Gipfeltreffen um des Deutschen liebstes Kind. Was natürlich kein Kind ist, sondern zuallererst das Auto, knapp vor dem Fleisch-Grill. 500 Millionen Euro bekommen die deutschen Kommunen für ein Software-Update ihrer Luft. Das soll nicht gehen? Aber ja doch, das ist ein Klacks für die in den Spätzünder verknallte deutsche Automobilindustrie. Sie tut ja so, als sei der Diesel-Skandal eine Art Software-Bug, der mit einem kulanten Update des Betriebssystems fix und foxi ausgebügelt werden kann. Nun wird diese kleine Wochenschau am Geburtstag des ersten Computer-Bugs geschrieben, womit klar auf den Schwindel der Autobauer hinzuweisen ist. Ein Bug ist ein Fehler ist ein Fehler ist ein Fehler, die absichtliche Veränderung der Software zu einem verdeckten Prüfstandsmodus ist es nicht. Solch eine absichtliche Täuschung kann so angelegt werden, dass kein Algorithmen-TÜV der Sache auf die Spur kommen kann. Also her mit dem "Software-Update" der kommunalen Luftschichten!
*** Der Geburtstag des Computer-Bugs ist auch der Geburtstag der Demokartischen Volksrepublik Korea, die 1948 ausgerufen wurde. Im 69. Jahr feiert man sich als unbesiegbare Atommacht. Zur Verwunderung der Welt hat Nordkorea gezeigt, dass Diktaturen komplexe Projekte managen können und kein Stuxnet bereit lag, um dem Projekt Schwierigkeiten zu machen. Bemerkenswert hilflos wird die Geschichte medial auf die Zündler reduziert. Dabei ist es nicht sicher, dass die USA einen Krieg gewinnen können. So taucht die übliche Frage auf, was China, der "letzte Allierte" Norkoreas, eigentlich macht. Eigentlich müsste China etwas machen, so US-Präsident Trump, doch was ist, wenn der chinesische Drache Ernst macht und Nordkorea besetzt? Dann wäre die Atomdrohung erst einmal vom Tisch, mit einem bemerkenswerten außenpolitischen Misserfolg eines US-Präsidenten, der alle Chancen auf eine Wiederwahl verliert.
*** In dieser Woche ist Jerry Pournelle gestorben, ein streitbarer IT-Journalist und Kolumnist für die Zeitschrift Byte und ein Science Fiction-Autor obendrein. In seinem letzten Blog-Eintrag verteidigte er als Trump-Unterstützer die Haltung von Trump gegenüber den Dreamers. Es gab so manchen Zoff mit Jerry, der schon mal eine Software umstandslos als Nazi-Software bezeichnete oder der üppige Geschenke von IT-Firmen akzeptierte. Jerry Pournelle war aber einer, der jedes Stück Hard- und Software, über das er als Kolumnist schrieb, ausgiebig testete und so den Typus des IT-Journalisten schuf, der als reiner Nutzer auftrat, während seine Kollegen bei der Byte samt und sonders IT-Fachleute waren, die programmierten oder selber Hardware entwickelten. Obwohl Jerry als Ex-Militär sehr militärisch dachte und an der Strategischen Verteidigungs-Initiative von Präsident Reagan beteiligt war, lehnte er die Golfkriege strikt ab und sprach sich dafür aus, statt Rüstungsgelder zu verpulvern lieber die Energiewende zu erforschen. Nun wird Chaos Manor geschlossen.
*** Und dann ist da noch diese Bundestagswahl mit bescheuerten denglischen Sprüchen wie "Digital first, Bedenken second". Wobei denglisch kein Problem ist in einem Land in dem Kellner ausgebildete Architekten sind. Das Problem fängt bei Digital first an und ist schon am Logo zu erkennen.Etliche Updates in einer Wahl-Auswertungssoftware haben in dieser Woche für Aufregung gesorgt. Auf der einen Seite stehen Artikel, die das Problem übertreiben, auf der anderen Seite Wahlleiter, die sich in Sicherheit durch Obskurgequatsche flüchten. All diese steht im krassen Gegensatz zum aktuellen Wahlkampf, bei dem ein Volk ohne Lust von Wissenschaftlern darauf hingewiesen wird, dass das Parlament massiv an Einfluss verloren hat. Dennoch wird wegen der rechten Schreihälse die Wahlbeteiligung in die Höhe gehen, weil die einen die AfD wollen, die anderen die AfD verhindern wollen – wie es auch das Heise-Forum zum Parteiprogramm der AfD sieht. Wenn es dann nach Berlin zum Regieren oder Opponieren geht, will man es bequem haben. AfD, CDU und FDP treten im Haupstadtwahlkampf als Tegelretter auf und zeigen, was ihnen Klimapolitik wert ist: nichts. Wobei, zugegeben, das mit den Werten in Wahlzeiten eine heikle Sache ist: Wer die Privatsphäre stärken will, sollte sie nicht, auch nicht "zu einem guten Zweck", demolieren.
Was wird.
Die Grundrechte sind gerettet, doch an Themen für wichtige Demonstrationen mangelt es nicht. Wenn diese Wochenschau im Internet auftaucht, hat Deniz Yücel Geburtstag. Es ist gut, sich an den Menschen und seine Texte zu erinnern. Es ist besser, wenn alle in der Türkei inhaftierten Journalisten freikommen und in Deutschland aufgenommen werden, all den Reisewarnungen von Recep Tayyip Egoman zum Trotz.
Auge um Auge, Byte um Byte titelte die Frankfurter Allgemeine schon im August zum Thema Hackback. Nichts wünscht sich die Bundeswehr so sehr wie ein ordentliches Cybergefecht, vor allem gegen diese Russen. Im Verein mit den Amerikanern und den Franzosen fühlt man sich megastark. Das wurde in dieser Woche in Estland deutlich und kam, etwas verklausulierter, auch in Koblenz zur Sprache. In der anstehenden Woche wird das Thema in Berlin von den Cyberwar-Experten behandelt. Dreh- und Angelstück der Hackback-Fantasien ist das neue "Cyber-Abwehrzentrum Plus", das dieser Tage in den Präsentationen auftaucht, meistens unscheinbar als Cyber-AZ+ geschrieben. Es soll Angriffe schnell aufspüren und zuordnen, ob sie militärisch oder staatlich attribuiert werden können und dann die entsprechenden Befehlsketten alarmieren. In enger Verbindung mit den Spezialisten von ZITIS sollen dann die erfolgsverprechenden Hackback-"Effektoren" zusammengeschraubt werden. Wie praktisch, dass die Behörde auf dem Gelände der Universität der Bundeswehr angesiedelt ist: Bei Hackback kommt es ja auf diese Milli-Sekunden an, wenn ein Datenbestand angeknabbert wird. Scrum gefechtsbereit zur Attacke! In Florida sollen Waffenbesitzer schließlich auch den Hurrikan Irma mit Schüssen bekämpfen, das hat alles seine Irrsinns-Logik. (jk)