Alles supergut!

Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Deutsche Bahn testen Systeme zur automatisierten Gesichtserkennung. Mehr braucht die Öffentlichkeit nicht zu wissen.

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Mit der Bemerkung "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern" landete Innenminister Thomas de Maizière im November 2015 einen echten viralen Hit in den sozialen Netzwerken. "Donnerlüftchen", dachte ich damals, nach dem sich die Aufregung um das wegen angeblich konkreter Anschlagsgefahr abgesagte Fußballspiel allmählich wieder gelegt hatte. Eigentlich gilt der Mann doch als komplett humorfrei. Dabei kann der ja richtig selbstironisch sein.

Ein fataler Irrtum. Die launige kleine Bemerkung war keineswegs dazu gedacht, eine öde Pressekonferenz aufzulockern, von der ohnehin klar war, dass niemand dort irgendetwas erfährt. Dass die Bevölkerung zwar alles bezahlen, aber nicht alles wissen muss, ist dem Innenminister vielmehr eine tief verinnerlichte politische Leitlinie. Was man jüngst wieder an dem Modellversuch zur automatisierten Gesichtserkennung sehen kann, der seit dem 1. August am Berliner Südkreuz läuft.

Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Deutsche Bahn AG testen dort für sechs Monaten Systeme von drei Herstellern, die Bilder von Überwachungskameras mit einer Datenbank abgleichen. Das System soll Gesuchte in Echtzeit identifizieren können. Drei Hersteller, eine automatisierte Gesichtserkennung, Abgleich mit einer Datenbank – mehr wissen wir nicht. Das muss reichen.

Besonders lustig: Laut einem Bericht von Netzpolitik.org sperrt sich das Innenministerium nicht nur mit allen Mitteln gegen Anfragen auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes. Die Behörde will nicht mal verraten, bei welcher Erkennungsrate sie den Versuch als erfolgreich einstuft. "Ein erfolgreiches Erprobungsergebnis ist nicht abhängig von konkreten Erkenntnisraten", schreibt das BMI in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. "Aus Sicht des Bundesministeriums des Innern liegt ein erfolgreiches Erprobungsergebnis vor, wenn ein signifikanter Mehrwert für die polizeilichen Aufgaben der Bundespolizei festgestellt werden kann."

Nun ist mir bekannt, dass die Lage ernst ist. Es gibt wichtigere Probleme: Über den Atlantik toben Stürme, über den Pazifik fliegen Raketen und hierzulande muss der Diesel-Skandal über die Bundestagswahl verschleppt werden. Aber offensichtlich spielt die Bundesregierung ernsthaft mit dem Gedanken, diese Technologie flächendeckend einzusetzen.

Es mag Gründe für solch eine Einführung geben. Aber die Einführung einer automatisierten Video-Überwachung ist ein schwerwiegender Eingriff in Freiheitsrechte. Falls die Bundesregierung – welche dann auch immer im Amt ist – solch eine Technologie auf Basis eines erfolgreichen Feldversuches einführen will, hat die Öffentlichkeit das Recht, die Fakten zu kennen. Spätestens dann müssten die Karten auf den Tisch. Im Sinne einer informierten, demokratischen Diskussion um Chancen und Risiken dieser Technologie eigentlich schon jetzt. Die Öffentlichkeit mit ein paar vagen Allgemeinplätzen abzuspeisen, ist bemerkenswert arrogant und kurzsichtig.

(wst)