EU-Kommissionspräsident Juncker: Umbau der EU und EU-weite Einführung des Euro

Zehn Tage vor der Bundestagswahl kommt ein Paukenschlag aus Brüssel: EU-Kommissionspräsident Juncker will Europa umbauen, wenn auch nicht so weitreichend wie der französische Präsident Macron. Man darf gespannt sein, wie das in Deutschland ankommt.

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EU-Kommissionspräsident Juncker: Umbau der EU und EU-weite Einführung des Euro
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  • dpa
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EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will den Euro in der gesamten Europäischen Union einführen, also auch in den ärmeren osteuropäischen Ländern. Außerdem sollen alle EU-Länder der Schengenzone ohne Grenzkontrollen beitreten, wie EU-Diplomaten vor Junckers Grundsatzrede im Europaparlament am Mittwoch sagten. Zudem soll die EU weiter wachsen: Bis 2025 könnte sie um die 30 Mitglieder haben.

Kurz vor der Bundestagswahl macht Juncker damit Vorschläge, die erheblichen Streit auslösen könnten. So bedeutet die gewünschte Ausweitung der Eurozone, dass auch EU-kritische Länder wie Ungarn oder Polen die Einheitswährung einführen sollen. Auch soll sie in armen EU-Ländern wie Rumänien oder Bulgarien gelten.

In 19 der 28 Staaten der Europäischen Union wird derzeit mit dem Euro bezahlt. Seit 1999 haben Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien die Gemeinschaftswährung. Später kamen nach und nach Griechenland, Slowenien, Malta und Zypern, Slowakei, Estland, Lettland und Litauen dazu.

Als offizielles Zahlungsmittel ist der Euro nicht eingeführt in den EU-Staaten Bulgarien, Dänemark, Kroatien, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn. Großbritannien, das derzeit seinen Austritt aus der EU verhandelt, war nie Teil des Euroraums.

Juncker sprach sich allerdings gegen viel weit reichendere Reformkonzepte aus, wie sie der französische Präsident Emmanuel Macron will. Dagegen kommt Juncker Bundeskanzlerin Angela Merkel entgegen, die skeptisch gegenüber einem weitreichenden Umbau der Gemeinschaft ist.

Junckers Rede zur Lage der Union im Straßburger Europaparlament war mit Spannung erwartet worden. Nach Entscheidung der Briten für einen EU-Austritt hatte er eine Reformdebatte angestoßen und im März fünf Szenarien zur EU der Zukunft vorgelegt. Doch Juncker will nach Angaben der EU-Diplomaten keine neuen Strukturen und auch keine Änderung der Europäischen Verträge – anders als Macron, der einen Euro-Finanzminister mit eigenem Milliarden-Budget verlangt.

Als Kompromissformel will Juncker, dass ein Vizepräsident der Kommission hauptamtlicher Chef der Eurogruppe wird – eine Art "Mr. Euro" ohne neuen Apparat. Im EU-Haushalt soll ein eigener Titel für die Eurozone vorgesehen werden. Daraus will Juncker unter anderem Hilfen für EU-Staaten wie Rumänien oder Bulgarien finanzieren, um sie fit für den Euro zu machen. Derzeit haben 19 der 28 EU-Staaten die Gemeinschaftswährung. Einige andere schaffen die wirtschaftlichen Hürden nicht oder wollen den Euro nicht übernehmen.

Künftig soll es nach dem Willen von Juncker nur noch ein EU-Präsidentenamt geben. Sein eigenes Amt solle mit dem des Ratspräsidenten verschmolzen werden, schlug er in seiner Grundsatzrede im Europaparlament vor. Damit werde die EU effizienter und für die Bürger leichter verständlich, argumentierte er.

Das gehe nicht gegen den derzeitigen Ratspräsidenten Donald Tusk. Auch habe er selbst keine Ambitionen auf das neue Amt, betonte Juncker, der 2019 als Präsident der Europäischen Kommission aufhören will.

Er plädierte darüber hinaus für einen europäischen "Wirtschafts- und Finanzminister", allerdings ohne dafür ein neues Amt zu schaffen. Die Position solle der für Währungs- und Wirtschaftsfragen zuständige EU-Kommissar übernehmen, der gleichzeitig Chef der Eurogruppe sein würde. Dieser würde dann alle Finanzierungsinstrumente der EU koordinieren, sagte Juncker.

Die EU-Kommission will bis 2019 Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland abschließen, wie Juncker ankündigte. Die Abkommen sollten dabei unter größtmöglicher Transparenz ausgehandelt werden, nationale und regionale Parlamente vom ersten Tag an umfassend informiert werden.

Zudem schlägt die Brüsseler Behörde vor, Investoren aus Drittstaaten künftig genauer unter die Lupe zu nehmen. Damit sollen Übernahmen aus Ländern wie etwa China strenger geprüft werden können. Der EU-Kommissionschef stellt jedes Jahr im September seine Agenda für die kommenden Monate vor.

Juncker sieht keinen baldigen EU-Beitritt der Türkei, möchte die Hand für das türkische Volk aber ausgestreckt halten. Die EU werde in den kommenden Jahren mehr Mitglieder zählen, die Grundlage dafür sei die Rechtsstaatlichkeit. "Das schließt eine Mitgliedschaft der Türkei in absehbarer Zeit aus." Die Türkei entferne sich in letzter Zeit mit Riesenschritten von der EU.

"Journalisten gehören in Redaktionsstuben, nicht ins Gefängnis", sagte Juncker. "Lassen Sie unsere Journalisten frei", sagte Juncker an die Adresse des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er solle aufhören, europäische Staatschefs als Faschisten und Nazis zu beschimpfen. Wer bewusst beleidige, verbaue sich Wege in die EU, möglicherweise mit Absicht, um der anderen Seite später die Schuld am möglichen Scheitern von Beitrittsverhandlungen geben zu können. "Aber wir werden unsere Hand ausgestreckt behalten für das große türkische Volk." (jk)