Whiteboards auf Entfernung

Videokonferenzen können frustrierend sein, wenn nicht alle Kollegen richtig sehen, was einer von ihnen auf eine Tafel schreibt. Ein Start-up bietet jetzt eine einfache und bislang kostenlose Lösung für dieses Problem an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Elizabeth Woyke
Inhaltsverzeichnis

Meetings können bekanntlich unproduktiv sein. Besonders schlimm wird es zum Beispiel, wenn ein Teilnehmer in einer Videokonferenz anfängt, auf einem Whiteboard zu schreiben, das die anderen in 5.000 Kilometern Entfernung gar nicht richtig sehen können.

Unternehmen arbeiten zunehmend mit um die Welt verteilten Mitarbeitern, und sie brauchen Werkzeuge, mit denen sie Kooperation über große Entfernungen hinweg organisieren können. Doch wenn man ein Whiteboard mit einer normalem Webcam abfilmt und überträgt, erscheinen die Buchstaben normalerweise spiegelverkehrt. Und selbst wenn man das verhindert, können Schatten und Reflexionen Worte und Zeichnungen schwer erkennbar machen.

Mehr Infos

Cyclops, ein Start-up aus dem US-Bundesstaat Massachusetts, verfolgt deshalb ein anderes Konzept: einen Dienst für Online-Videokonferenzen, der mit Hilfe von Algorithmen für maschinelles Sehen Inhalte von Whiteboards klar überträgt und den Winkel so korrigiert, dass alle Teilnehmer sie problemlos lesen können. Mit der Technologie, die in zweijähriger Entwicklungsarbeit entstand, werden die visuellen Verzerrungen korrigiert, die durch einfache Laptop- oder Web-Kameras entstehen. Außerdem suchen die Cyclops-Algorithmen nach Zeichen, die nach Text oder Linien aussehen, und machen sie deutlicher, damit die Betrachter ein dynamischeres und kontrastreicheres Bild zu sehen bekommen.

Im Whiteboard-Modus wird das Video so ausgerichtet, dass der Text richtig herum erscheint. Außerdem können Nutzer mit Hilfe von Algorithmen das Bild vergrößern.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

In den vergangenen Jahren haben Cisco, Google und Microsoft große, mit dem Internet verbundene Touchscreen-Monitore auf den Markt gebracht, auf denen man mit einem Eingabestift schreiben kann. Eine Reihe von Start-ups wie Altia Systems und Kaptivo verkaufen Kameras, die normale Whiteboards mit Hilfe von Web-basierter Software interaktiv machen. Allerdings kosten diese Kameras meist mehrere hundert Dollar und erfordern jährliche Software-Abonnements; digitale Whiteboards wie das Jamboard von Google oder das Surface Hub von Microsoft kosten sogar 9.000 Dollar. Beide Produktarten erfordern außerdem die Installation von Software und zum Teil auch Hardware.

Das Werkzeug von Cyclops dagegen ist nach Angaben des Unternehmens einfacher zu nutzen und billiger. Ein paar Klicks sollen ausreichen, um weit voneinander entfernte Kollegen mit Hilfe einer Webcam und eines Slack-Kontos zusammenzubringen. Mit Reglern in der Software können die Nutzer die verwendeten Algorithmen individualisieren und Kontrast, Schärfe und Textur einstellen. Mit einer Augmented-Reality-Funktion ist es möglich, über den Inhalt des Whiteboards Kommentare und Ergänzungen zu schreiben und zu zeichnen. Außerdem sind Screenshots vom Whiteboard möglich, die direkt bei Slack hochgeladen oder per E-Mail verschickt werden können.

Einstweilen ist das Angebot vollkommen kostenlos. In Zukunft wird das Start-up möglicherweise eine kleine Abo-Gebühr verlangen, sagt Waikit Lau, Mitgründer und CEO des Unternehmens.

Allerdings muss das Produkt noch verbessert werden. Derzeit können maximal acht Personen an einer Cyclops-Konferenz teilnehmen. Außerdem führen die Algorithmen dazu, dass das Bild bei schnellen Bewegungen verschwimmt, etwa wenn jemand gestikuliert oder an der Kamera vorbeigeht. Laut Lau soll die Technologie deshalb so überarbeitet werden, dass sie nur Inhalte des Whiteboards verstärkt statt das gesamte Bild.

Frühe Nutzer bemängeln zudem, die Video-Streams von Cyclops würden manchmal stocken und grobkörniger aussehen als bei anderen Videokonferenz-Diensten. Trotzdem seien die Whiteboard-Funktion und die einfache Nutzung überzeugender als Konkurrenz-Dienste wie Appear.in, Google Hangouts, Skype oder Zoom. Bevor er Cyclops entdeckte, nutzte zum Beispiel der Technologie-Entrepreneur Paul Morville aus der Region Boston das Google-Programm Slides, um Online-Präsentationen zu erstellen, die von einer Gruppe gemeinschaftlich angesehen und bearbeitet werden können. Mit Cyclops sei das schneller und einfacher, sagt er: "Man kann beim Telefonieren sagen, ich will dir kurz was auf dem Whiteboard zeigen. Innerhalb von 15 Sekunden kann man dann ein Bild davon an den Gesprächspartner übertragen – und zwar so, dass er alles problemlos erkennt."

Ein weiterer zufriedener Nutzer ist Brett Terespolsky, Chief Technology Officer bei Switch Innovation in Südafrika. Früher hat er nach dem Ende von Videokonferenzen ein Foto seines beschriebenen Whiteboards an die Teilnehmer verschickt. Jetzt verwendet er Cyclops, sodass sein gesamtes Team am geteilten Whiteboard Projekte in Echtzeit besprechen und planen kann.

(sma)