Auswirkungen von Raubkopien: EU-Kommission unterdrückt Piraterie-Studie

Der Konsum von illegal kopierten Inhalten hat kaum Wirkung auf den Erwerb der Inhalte, stellt eine Studie im Auftrag der EU-Kommission fest. In der aktuellen Copyright-Debatte hält die Europäische Kommission ihre Studie aber noch immer unter Verschluss.

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Pirate Bay

Die Tausch-Plattform Pirate Bay ist offline.

(Bild: dpa, Claudio Bresciani/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Die EU-Kommission plant das Urheberrecht zu verschärfen. Doch eine 2015 in ihrem Auftrag erstellte wissenschaftliche Studie gibt dazu keinen Anlass. Bei der Untersuchung von Verdrängungseffekten durch illegale Downloads bei Filmen, Musik, Büchern und Computerspielen seien "keine tragfähigen statistischen Beweise für die Verdrängung von Verkäufen durch Urheberrechtsverletzung" gefunden worden, heißt es in der Zusammenfassung der Studie – mit einer Ausnahme: Blockbuster-Filme.

Die EU-Kommission hat die Studie bisher unter der Decke gehalten. Bekannt wurde sie nun aufgrund von Nachforschungen der Europaabgeordneten Julia Reda (Piraten/Grüne). Nachdem sie einen Antrag auf Informationszugang gestellt hatte, spielten ihr Mitarbeiter der Kommission die Studie (PDF) zu, die dann Netzpolitik.org veröffentlicht hat.

Die Frage, welche Wirkung der Konsum illegal kopierter Inhalte auf deren legalen Erwerb hat, bestimmt die Richtung der europäischen Urheberrechtspolitik. Festgestellt wird diese Wirkung über die so genannte Verdrängungs-Rate. Die 300-seitige Studie der niederländischen Beratungsfirma Ecorys untersuchte hierfür die Bereiche Musik, Film, Bücher und Games nach sechs Kriterien und befragte online rund 30.000 Nutzer in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, Spanien und Schweden.

Die Studie stellt dennoch verschiedene Verdrängungseffekte fest: Im Bereich der Filme und Serien führen Raubkopien zu einer negativen Verdrängungsrate von 27 Prozent, wobei diese vor allem im Bereich der Blockbuster liegt. Das bedeutet, dass bei 100 illegalen Streams oder Downloads 27 legale Transaktionen unterblieben. Im Bereich Bücher stellten die Studienautoren eine negative Rate von 38 Prozent fest, wobei sie allerdings die absolute Zahl der illegalen Downloads als "zu vernachlässigen" und die Rate daher als statistisch unbedeutend bezeichnen.

Im Gaming-Bereich diagnostizierten die Forscher hingegen einen positiven Effekt von 24 Prozent, was bedeutet, dass 100 illegale Downloads zu weiteren 24 Käufen führten. Die Raubkopien führten damit zu einer deutlichen Umsatzsteigerung, was die Studienautoren auf die erfolgreiche Strategie der Spielindustrie zurückführen, den Kauf eines Spiels mit Extrapunkten oder Extralevels zu belohnen. Für den Bereich Musik kommt die Studie auf eine Verdrängungsrate von 0 Prozent. Allerdings räumen die Autoren der Studie auch ein, dass ihre Ergebnisse "nicht unbedingt bedeuten, dass Piraterie keinen Effekt hat, sondern dass die statistische Analyse diesen Effekt nicht mit hinreichender Verlässlichkeit beweist".

Die EU-Kommission veröffentlichte auf Basis der Daten 2015 einen Aufsatz über Umsatzverluste der Content-Branche, für den sie allerdings nur den Fall der Blockbuster-Filme berücksichtige. Die Ergebnisse zu den anderen Content-Branchen wurden nicht erwähnt, die Studie selbst nur in einer Fußnote erwähnt. Die Europaabgeordnete Julia Reda hält das für "unredlich".

Reda fordert die EU-Kommission jetzt auf, "zeitnah mehr solide Beweise in der Copyright-Debatte vorzulegen", zumal diese ihr ja bereits vorliegen. Sie erwartet, dass die Kommission in den nächsten Tagen über die offizielle Freigabe der Studie entscheiden wird. Der Urheberrechtsexperte Leonhard Dobusch kommt zu dem Schluss, dass die Studie sich nicht dafür hernehmen lässt, strengere Maßnahmen wie etwa den jetzt geplanten Upload-Filter zu rechtfertigen. (vbr)