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Was war. Was wird. Von Auto-, Schwach- und anderen -maten

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Und vor den wohlfeilen Lösungen für gesellschaftliche und politische Probleme. Dafür, befürchtet Hal Faber, gibt es jetzt im Bundestag nicht etwa ein Zentrum für politische Schönheit, sondern mehr für politische Dummheit.

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Frau Mahlzahn, Katze, Schönheit

Schönheit mag im Auge des Betrachters liegen. Dummheit dagegen liegt nicht im Auge des Betrachters, sie ist nicht relativ.

(Bild: Frau Mahlzahn - womit die Frage ungeklärt bleibt, ob eine Katze das Recht auf ihr eigenes Bild reklamieren kann.)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Vision von Bill Gates, Oktober 1995 (phantasierte vom Wallet-PC, dann kam das Smartphone ...)

*** Meine Fresse, war das eine Wahl. Angela Merkel ging als Königin der Umfragen an den Start und kam als Bettlerin heraus. Die immer wieder beteuerte Siegesgewissheit, dass ohne die CDU/CSU keine Regierung gebildet werden kann, ist von einem großen Gerangel und Gequengel abgelöst worden. Mehr davon! Ist es nicht wunderbar, dass auf der bezaubernden norddeutschen Tiefebene der Niedersachs-O-Mat startet und uns die Wahl erleichtert? Zwar etwas kurzfristig, aber wie sonst kann man sich entscheiden ohne die lästigen Wahlprogramme, die die Jamaikaner zur Verzweiflung treiben. Gerade in Niedersachs-O-en ist die Koalitionsplatte gut gefüllt und die Stimmung eine andere. Schließlich ist der größte lebende Niedersachse gerade Vorsitzender des russischen Ölkonzerns Rosneft geworden, ein guter Hintertreppenwitz auf alle Stamokap-Theorien. Vielleicht erklärt sich Schröders Verhalten auch mit der tiefen Sehnsucht des Landes nach Erdöl. Alternativ kann man auch darüber nachdenken, ob jemand, der einstmals alle Schulen ans Netz brachte, im Starrsinn des Alters durch das Gerede von den Daten als Öl des Jahrhunderts verwirrt wurde. Doch so oder so ist bei Rosneft die Freude am treuen Freund groß und gemeinsam freut es sich besser auf diese Präsidentschaftswahl, die in Russland ansteht. Für die braucht es nicht einmal einen Russomaten, da die Opposition bekanntlich "kriminell" ist.

*** Mit der Wahl ist sie im Bundestag, die sogenannte "Alternative für Deutschland". Noch in der Wahlnacht und den verschiedenen Rederunden legte man sich kräftig ins Zeug und erzählte Lügen oder mindestens alternative Interpretationen der Tugenden deutscher Soldaten, gelobt vom Franzosen Mitterand. Das Soldatengefasel dieser armen Tröpfe ist sicher nicht die letzte Glitschigkeit, mit der Gauland und Gaunossen die Aufmerksamkeitspumpe bedienen, während sie unser Land und unsere Regeln in ihrem nationalistischen Sinne verdrehen. Für Provokationen gibt es keine Obergrenze, solange sie erfolgreich aufgegriffen werden. In diesem Sinne gehört es zu deren Erfolgen, wenn gleich von links und rechts den Gaunossen nachgeeifert werden soll. Wenn etwa der nicht minder altersstarsinnige Oskar Lafontaine auf der linken Seite die Flüchtlingsfrage angeht und einen Gregor Gysi indirekt zum Parteiaustritt drängt. Und wenn der sonst eher schweigsame sächische CDU-Ministerpräsident Tillich weiter nach rechts rücken will – ausgerechnet in Sachsen, wo die bisherigen CDU-Versuche damit ja schon so wunderbar erfolgreich gegen die AfD waren. Die Flüchtlinge sind die allerschwächsten in dieser Gesellschaft, die wohlständiger ist denn je. Es scheint, dass etwas wie das Zentrum für politsche Schönheit notwendiger denn je ist, angesichts dieses Zentrums für politische Dummheit, das sich in der deutschen Politik etabliert hat.

*** Ausgerechnet bei einer Meldung zum Stand biometrischer Forschung kam die Frage auf, ob denn die Kinderfinger-Biometrie helfen könnte, den Missbrauch von Unterstützungsleistungen von Asylsuchenden einzudämmen. So wird sichtbar, wie schnell eine gut gemeinte Technik, die rechtsfeste ID-Dokumentation von Neugeborenen, missbraucht werden könnte. Ob die hinter der Biometrie stehende entsprechende UN-Richtlinie überhaupt so gemeint ist, wäre dann die Zusatzfrage, die Forums-Mitglied Snoofy treffend beantwortete: "Die Idee hinter einer Geburtsurkunde (= 'birth registration') ist, dass ein Staat sich nicht mal schnell unbequemer Bürger, oder aktueller, Ethnien entledigen kann, indem es behauptetm die sind ja nicht einmal hier geboren und somit keine Staatsbürger. /.../ Die eigentliche Intention dieser 'Richtlinie' ist also Schutz von Minderheiten vor der ultimativen Diskriminierung. Denn wer Staatenlos ist kann noch nicht einmal Asyl beantragen. Ich finde es also mehr als verwerflich, frühkindliche biometrische Identifikation und hochoptimierte Gesichtsscanner mit dem Hinweis auf diese UN-Richtlinie erklären zu wollen."

*** Unbequeme Bürger sorgen in Spanien für die gefährlichste Konfrontation, die Europa derzeit zu bieten hat. Was die spanische Regierung mit aller Macht verhindern will, könnte genau das Europa explodieren lassen, das der französische Präsident Macron gerade in seiner großen Rede skizzierte. Mittendrin im Getümmel der Argumente für ein autonomes Katalonien: Edward Snowden und Julian Assange. Besonders Assange ist vielsprachig engagiert und schreibt vom Ausbruch des ersten Internet-Krieges. Die Motive für diese enorme Überhöhung könnten in Assanges Unterstützung von Baltasar Garzón liegen, seinem wichtigsten Rechtsberater. Dieser hatte vor einen Monaten die spanische Plattform Actúa gegründet, die sich gegen die Regierung, aber auch gegen Podemos stellt. Nun ist ausgerechnet Spanien eng mit Ecuador verbandelt, jenem Land, in dessen Londoner Botschaft Assange ein politisches Asyl gefunden hat. Dies geschah unter Rafael Correra, der inzwischen von Lenin Moreno abgelöst wurde. Moreno beschwerte sich prompt über Assanges unangemessenes Verhalten, womit er die Bedingungen, unter denen der "Hacker" Asyl habe, unterlaufen würde. Zuvor hatte sich Assange seinerseits beschwert, dass Moreno ihn als "Hacker" bezeichnete und nicht als politisch Verfolgten.

*** Stell dir vor, es gibt einen Gipfel und niemand guckt richtig hin: Auf dem Digitalgipfel der EU in Tallinn sollte über den Breitbandausbau in Europa, über die automatische Filterung von Netz-Inhalten und vor allem über eine einheitliche Besteuerung der Internetkonzerne gesprochen werden, doch GAFA interessierte die Teilnehmer nur am Rande. Da konnte der Bitkom Stellungnahmen zum Aufbruchssignal verschicken, es interessierte nicht. Während der zentralen Rede der estnischen Präsidentin Kersti Kaljulaid tuschelte der französische Superstar Macron mit seinem italienischen Nachbarn, später sitzt man an der Hotelbar und plaudert. Der einzige Beschluss, bis 2025 das "weltweit beste Internet" in Europa haben zu wollen, ist wohlfeil, das wollen ja alle. Selbst die Linke in Gestalt der neuen Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg, die als Unternehmerin von Schweden begeistert ist, braucht ganz dringend Glasfaser-Ölleitungen.

Was wird.

Vergebens auf
verschlung'nem Pfad
sucht in der Ferne nach
dem Glück,
wer in der Nähe es
nicht findet!

Ja, die Notizbücher von Leonardo da Vinci gehören zum Schönsten, was die abendländische Kultur zu bieten hat, aber die Skizzenbücher vom da-Vinci-Bewunderer Romano Scarpa sind auch Bestandteil dieser Kultur, nicht nur Carl Barks und Floyd Gotfredson. Sein 1962 gezeichneter Kolumbusfalter, der heute vor 50 Jahren im ersten lustigen Taschenbuch erschien, ist so ein Höhepunkt der westlichen Kulturgeschichte. So steigt die Spannung, denn in 10 Tagen kehrt der Kolumbusfalter zurück, kurz vor dem Weltjahrhundertkulturereignis.

Aus dem IOCTA-Bericht von Europol, Oktober 2017

Diese kleine Wochenschau endet mit einer Illustration aus dem Bericht über organisierten Cybercrime, den Europol jährlich herausgibt. Wir sehen zwei junge Männer mitten in der Pubertät und zwei Lebensentwürfe, einmal den gesellschaftlich geachteten Experten für Cybersicherheit und einmal den verfemten Cyberkriminellen. Die Welt ist aufgeteilt in Gut und Böse, weit weg von der unmoralischen, ungewaschenen Realität. Diese hat den Microsoft-Chef Satya Nadella zu einer bemerkenswerten Stellungnahme getrieben. Nachdem er zu Beginn der Woche verschiedene neue Microsoft-Produkte vorgestellt hatte, startete er zum Ende der Woche seine Europa-Tournee für die Buchpromotion von Hit Refresh (auf Deutsch: F5) und gab sich nachdenklich. Welchen Zugriff sollen staatliche Behörden auf all die schönen nationalen Cloud-Instanzen haben, die z.B. mit der deutschen Cloud auf deutschem Boden existieren? "Wenn wir in diesem Kontext unser Hauptaugenmerk auf die Privatsphäre legen, dann denke ich, dass wir als Gesellschaft dies bereuen werden." So sieht er aus, der neue Weg nach vorn. (jk)