ICANN: Internetpionier Steve Crocker tritt ab

Einer der Internetväter, Steve Crocker, tritt ab und übergibt den Vorsitz im Direktorium der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers einem Finanzmarktexperten. Damit endet dort die Ära der der Internetexperten der ersten Stunde.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 9 Kommentare lesen
ICANN: Internetpionier Steve Crocker tritt ab

Steve Crocker

(Bild: Joi, CC BY 2.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Beim Treffen der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in Abu Dhabi Ende des Monats wird der ehemalige Accenture-Manager Cherine Chalaby den Internetpionier Steve Crocker als Vorsitzenden des Direktoriums ablösen. Damit endet auch die Phase, in der Internetexperten der ersten Stunde das Aufsichtsgremium der ICANN gelenkt haben.

Das Direktorium der ICANN beaufsichtigt den wachsenden hauptamtlichen Stab der Netzverwaltung in Kalifornien und die kleineren Büros rund um den Globus. Es moderiert im Idealfall die Entwicklung neuer Regeln für das Geschäft mit Top Level Domains durch die ICANN-Selbstverwaltungsgremien. Nach dem Rückzug der US-Regierung aus ihrer besonderen Aufsichtsrolle für die private Selbstverwaltung betreibt eine ICANN-Tochter im Auftrag der Interessensgruppen die Rootzone in Eigenregie.

Crocker war ein Internetguru bevor er zur ICANN kam. Er ist Autor des ersten Request for Comments, (RFC 1). Die RFC sind die Serie von Standarddokumenten, in denen die grundlegende Internetstandards wie TCP/IP niedergelegt wurden. 2002 hatte Crockers Arpanet-Kollege Vint Cerf ihn in die ICANN geholt, erst als Chef des Security and Advisory Stability Committee, ab 2008 als Vollmitglied des Direktorengremiums. Ab 2010 war er Vorsitzender des ICANN-Direktoriums und brachte seinen technischen Sachverstand in das oft reichlich politisch agierende Gremium ein.

Dem hochdekorierten Internet Hall of Fame-Mitglied und Jon Postel-Preisträger folgt nun mit Chalaby erstmals ein Finanzmarktexperte. Chalaby, der einen britischen und einen ägyptischen Pass hat, kam 2010 in den Vorstand, kurz nachdem er Accenture nach 28 Jahren verlassen hatte. Ausgewählt von einem nach typischen ICANN-Vorgaben besetzten Nominierungskomittee stieß Chalaby in einer Zeit der zunehmenden Professionalisierung hinzu.

Spätestens mit der Einführung neuer Top Level Domains und der damit einkassierten Gebühren ist aus dem ursprünglichen 500.000-Dollar-Laden ein Unternehmen mit 200 Millionen US-Dollar Umsatz geworden. Dabei sind die fetten Auktionsgewinne, die nicht in den normalen Haushalt einfließen und zum Wohl des Netzes ausgegeben werden sollen, noch nicht mitgerechnet.

Ein paar unerledigte Dinge hinterlässt Crocker seinem Nachfolger Chalaby. Nach seinem Amtsantritt hatte Crocker beispielsweise versprochen, das System des Whois, also der Registrierung und Speicherung von Domaininhaberdaten, neu zu überdenken. Angesichts des Streits um Datenschutz-Freundlichkeit hat man diese Aufgabe aber weiter vor sich. Und natürlich, es gilt zu entscheiden, ob noch mehr neue Top Level Domains vergeben werden sollen. (mho)