Europäische Regulierungs-Schonzeit für Deutsche Telekom

Die derzeit noch geschäftsführend tätige Bundesregierung hat auf den EU-Rat eingewirkt, um große Datennetzbetreiber wie die Deutsche Telekom bis zu sieben Jahre lang von Einschränkungen durch EU-Regulierung freizuhalten.

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Glasfaserausbau

(Bild: Jens Büttner/dpa)

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In den letzten Tagen ihrer Amtszeit nimmt die im Bund regierende große Koalition offenbar in der Europäischen Union Weichenstellungen in Bezug auf den Ausbau der Datennetze vor, die im Effekt vor allem der deutschen Telekom zugute kommen. Diese ist zu rund 32 Prozent im Staatsbesitz. Konkret geht es um geplante Bestimmungen zur Regulierung von Telekommunikationsunternehmen. Das berichtet der SPIEGEL in einer Vorabmeldung – der betreffende Heftbeitrag findet sich ab Montag in Ausgabe 43/2017 auf Seite 28.

Auf den 10. Oktober ist eine Weisung des derzeit noch SPD-geführten Bundeswirtschaftsministeriums datiert, die Verhandlungen über geplante Regelungen zum Bereich Telekommunikation betrifft. Daraufhin hat Deutschland im Rat der Europäischen Union durchgesetzt, dass große Anbieter wie die Telekom für einen Zeitraum bis zu sieben Jahren von europäischen Regulierungen befreit werden können. Zum Ausgleich dafür sollen die betreffenden Großunternehmen lediglich verpflichtet werden, Mitbewerbern die Gelegenheit zur Beteiligung an Projekten zum Netzausbau zu geben. Ob eine solche Mitarbeit dann aber tatsächlich zustandekommt, soll dabei nicht entscheidend sein.

Jürgen Grützner, der seit 1998 für den VATM spricht, leitete zuvor das Büro der Arbeitsgruppe Post und Telekommunikation bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er ist einer der bekanntesten Lobbyisten privater Telekommunikationsunternehmen, die mit der deutschen Telekom im Wettbewerb stehen.

(Bild: VATM)

Schon seit Jahren fordert die deutsche Telekom Erleichterungen im Gegenzug dafür, dass sie ihre Breitbandnetze weiter ausbaut. Das betrifft insbesondere wettbewerbsrechtliche Auflagen. Erwartungsagemäß haben die neuesten Aktivitäten der Bundesregierung scharfe Kritik von Mitbewerbern des Konzerns ausgelöst. So rügt Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), die neue Haltung des EU-Rats als Spezialgesetz zugunsten der Deutschen Telekom. Der VATM vertritt die Interessen von etwa 100 Telekommunikations- und Multimediaunternehmen, die in Deutschland im Wettbewerb mit der Telekom stehen. "Die Regierung versucht, auf den letzten Metern Fakten zu schaffen und sieben Jahre Regulierungspause zugunsten der Telekom durchzusetzen", so Grützner.

Das Bundeswirtschaftsministerium spricht auf Nachfrage des SPIEGEL von "Regulierungserleichterungen" für "begrenzte Zeit" und rechtfertigt diese damit, dass ein Breitbandausbau, wie man ihn sich wünsche, ohne einen solchen Anreiz für Datennetzbetreiber voraussichtlich überhaupt nicht stattfinden würde.

(psz)