Kommentar: Vim, Mutt und die Bash sind auch nutzerfreundlich

Nutzerfreundlich heißt angeblich, Nutzer sollen sich keine Gedanken machen müssen. Dabei halten Designer ihre Anwender wohl für ausgesprochen dumm, kritisiert Moritz Förster. Wichtiger wäre eine effiziente und präzise statt einer intuitiven Steuerung.

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Kommentar: Intuitiv ist nicht immer nutzerfreundlich

(Bild: Lcamtuf, CC BY-SA 2.5)

Lesezeit: 3 Min.

Nutzerfreundlich: Ein so schnell dahergesagtes Wort, so allgemein als zentrales Gebot beim Design eines neuen Programms verklärt. Selbstverständliche Übereinstimmung, was man darunter zu verstehen hat. Karton auf, Rechner an, loslegen. Wer dem Kunden erst noch etwas beibringen muss, macht alles falsch. Insbesondere ein Großhändler für Fallobst gilt nun schon seit Jahrzehnten als Primus. Handbücher gehören ins vorige Jahrtausend, wer sich auf die Hilfefunktionen verlässt, hat bereits verloren.

Schaut man sich im Bekanntenkreis die hoffentlich vielfältigen Betriebssysteme an, kann man sich nur bestätigt fühlen – Apple-Nutzer schwärmen nach dem Wechsel oft arg penetrant, doch frustriert sind sie definitiv nicht. Endlich geht alles so einfach, kein Kampf mehr mit dem Rechner. Auch Microsoft versuchte schon mehrfach mit demselben Horn auf Kundenjagd zu gehen und offerierte Böcke namens Bob, Clippy oder Metro.

Ein Kommentar von Moritz Förster

Moritz Förster schreibt seit 2012 für die iX und heise online. Er betreut neben dem iX-Channel die Bereiche Arbeitsplatz und Server.

Das ebenso allgemein akzeptierte Fazit jener Bemühungen: Microsofts zu stemmende Aufgabe erwies sich letztendlich als zu schwer. Nutzer blieben verwirrt zurück, vermissten Funktionen und fanden die falschen. Hieraus ließe sich obendrein folgern: Das Ziel war richtig, nur die verwendeten Mittel waren falsch. So versucht der Konzern es wieder und wieder. Am Ende wird er schon einen Weg finden, endlich freundlich zum Nutzer zu sein.

Nur als warnender Kontrast ein schneller Blick auf die Pein eines BSD- oder in manchen Fällen eines Linux-Nutzers. Der Witz, einen Uneingeweihten dem gestarteten Vim auszusetzen und ihn das Programm beenden zu lassen, zieht praktisch angewendet Zorn denn schulterklopfendes Gelächter nach sich. Wer tut sich so etwas an? Oder etwa Mutt? Das Verwalten des Rechners auf der Bash? i3, awesome oder ratpoison statt wenigstens KDEs Plasma oder Gnome? Sind all diese Werkzeuge nicht schrecklich nutzerunfreundlich?

Im Gegenteil, sie sind der kommerziellen Konkurrenz bei einem entscheidenden Punkt an Freundlichkeit meilenweit voraus. Das jedoch ausschließlich unter der Annahme, dass ein möglichst präziser und effizienter Ansatz der beste ist. Wenn der Anwender zum Beispiel seine E-Mails in wenigen Minuten statt einer Stunde abarbeiten kann, um sich anschließend den eigentlich wichtigen Aufgaben zu widmen, ist Mutt ein deutlich nutzerfreundlicheres Programm als die Klickorgie im Web-Client.

Sicher, zuvor muss der Anwender das Handbuch pauken. Doch hier zeigt sich eine noch drastischere Konsequenz: Statt daran zu glauben, dass der Kunde lesen, lernen und das frische Wissen übertragen kann, gehen allzu viele in letzter Konsequenz davon aus, dass der Nutzer dumm und faul ist. Denn am Ende reduziert ihn das Design zum ausführenden Automaten. Die eigentliche Technik hat zu verschwinden, sich zu verstecken, unsichtbar zu bleiben – es soll einfach funktionieren. Ja nicht darüber nachdenken müssen. Ein Handbuch und die Konfrontation mit dem Rechner ermächtigen den Nutzer hingegen.

Populäres Design von Programmen und Oberflächen mag intuitiv sein, doch wirklich nutzerfreundlich ist es nicht. Zeit, dass Linux, BSDs und selbst die Kommandozeile den Begriff für sich entdecken. Und sich selbst hoffentlich treu bleiben. (fo)