Arbeit ohne Ende: Arbeitsplätze, Künstliche Intelligenz und Roboter

Die Ergebnisse der Umfrage zur Zukunft der Arbeit von Technology Review und dem Institut für Innovation und Technik liegen vor. Sie zeigen, wo die großen Probleme sind.

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Arbeit ohne Ende

(Bild: Gabriele Heinzel / Graphic Recording)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Robert Thielicke
Inhaltsverzeichnis

Erfinden wir die Arbeit neu – oder schaffen wir sie ab? Um auf diese Frage Antworten zu finden, führte Technology Review gemeinsam mit dem Institut für Innovation und Technik (iit) der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH eine Umfrage durch. Wir wollten wissen, wie technikaffine, oft mit den entsprechenden Technologien vertraute Menschen über die Zukunft der Arbeit denken, was sie gut fänden und was ihnen Sorgen macht. 3219 Leser von TR online und heise online haben den Fragebogen ausgefüllt. Die wichtigsten Ergebnisse sind nun in der aktuellen Ausgabe von Technology Review erschienen (jetzt im Handel und im heise shop erhältlich).

TR 12/2017

Technology Review 12/2017

(Bild: 

[Link auf https://shop.heise.de/zeitschriften/technology-review]

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Der Text stammt aus der Dezember-Ausgabe von Technology Review (ab 9.11. im Handel und im heise shop erhältlich). Weitere Artikel des Hefts:

Sie zeigen, wie viele Sorgen die jüngsten Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz selbst in dieser technikaffinen Gruppe auslösen. 66 Prozent glauben nicht daran, dass künftig mindestens ebenso viele Arbeitsplätze hinzukommen wie wegfallen werden. 71 Prozent der Befragten sind sicher oder eher sicher, dass der Umbruch "zu einer extremen gesellschaftlichen Spaltung führt". Und das, obwohl die Zahlen zumindest derzeit das Gegenteil zeigen: Nie gab es so viele Erwerbstätige wie heute. Seit 2011 steigt sogar die Beschäftigtenzahl in der Produktion wieder: Sie liegt jetzt bei 10,6 Millionen, mehr als eine halbe Million über dem vor sieben Jahren erreichten historischen Tiefststand. Dieses Jahr könnte die Arbeitslosenquote unter die Sechs-Prozent-Marke sinken. Ernst Andreas Hartmann, Arbeitspsychologe und Leiter des iit sieht die Ursache für die Befürchtung denn auch in einer überzogen dystopischen Berichterstattung: "Ich habe den Eindruck, dass die oft hysterische und skandalisierende Berichterstattung Wirkung zeigt."

Ähnlich argumentiert der renommierte Roboterforscher Rodney Brooks in einem begleitenden Essay: "Um uns herum herrscht eine Hysterie darüber, wie mächtig künstliche Intelligenz und Roboter eines Tages werden – und was sie dann mit unseren Jobs anstellen", schreibt der Schöpfer des Staubsaugerroboters Roomba und ehemalige Leiter des Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory am Massachusetts Institute of Technology (MIT). "Vor Kurzem las ich einen Artikel, der besagte, dass Roboter in 10 bis 20 Jahren die Hälfte der heutigen Jobs übernehmen werden. Von rund einer Million Stellen für Straßenbauarbeiter in den USA sollen gar nur 50.000 übrig bleiben. Solche Behauptungen sind lächerlich", so Brooks weiter. "Wie viele Roboter sind derzeit in diesen Jobs im Einsatz? Null. Wie viele realistische Demonstrationen von Robotern gab es in diesem Bereich? Null." Ähnliches gelte für alle vergleichbaren Branchen.

Einige der Umfrageergebnisse.

(Bild: Gabriele Heinzel / Graphic Recording)

Ebenso große Sorgen machen den Befragten die künftigen Arbeitsbedingungen: 77 Prozent gehen davon aus, dass die psychische Belastung am Arbeitsplatz eher zunimmt. Der Aussage "In der künftigen Arbeitswelt gibt es mehr Handlungs- und Entscheidungsfreiräume sowie Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme" stimmte nur jeder Elfte uneingeschränkt zu. Das Gedankenspiel, von einem synthetischen Kollegen zu höherer Arbeitsleistung angetrieben zu werden, erscheint einer Mehrheit der Befragten durchaus realistisch.

Diese Befürchtungen haben eine reale Grundlage. Und dort liegen denn auch die großen Herausforderungen für die Zukunft der Arbeit. Denn das Beschäftigungswachstum im Dienstleistungssektor fing zwar den Rückgang in der Industrie auf. Doch in vielen der neuen Bürojobs sind die Arbeitsbedingungen schlechter. Während in der Produktion das klassische Normalarbeitsverhältnis mit voller tariflicher Arbeitszeit überwiegt, ist bei den Servicetätigkeiten eine hohe Quote an Teilzeitstellen zu finden. Sogar Hochqualifizierte kommen im Dienstleistungsgewerbe schlechter weg als in der Industrie. Das Einstiegsgehalt eines Ingenieurs, berichtete die Süddeutsche Zeitung kürzlich, sei bei BMW erheblich höher als beim TÜV, und der Lohnabstand zwischen beiden Wirtschaftssektoren sei in Deutschland höher als in vergleichbaren EU-Staaten.

Einige der Umfrageergebnisse.

(Bild: Gabriele Heinzel / Graphic Recording)

Aber nicht nur das Einkommen, auch die typischen Arbeitsbedingungen lassen einiges zu wünschen übrig, wie die ver.di-Studie nachweist. Zu den maßgeblichen Ärgernissen und Belastungsfaktoren gehören individuelle Mehrarbeit, Arbeitsverdichtung, ständige Erreichbarkeit, zunehmende Fremdbestimmung und Überwachung.

So warnte der Soziologieprofessor Andreas Boes vom Münchner Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. (ISF) kürzlich vor dem Trend, dass Unternehmen administrative Tätigkeiten nach dem Vorbild der Akkordarbeit in der Fabrik in standardisierte Funktionsschritte zerlegen. So könnten sie leichter die Produktivität messen, um ihren Angestellten quantitative Leistungsziele zu setzen: "Der Büromensch arbeitet künftig wie am Fließband."

Solche Pläne treffen auf Arbeitnehmer, bei denen sich längst ein Ohnmachtsgefühl breitgemacht hat. 80 Prozent der von TR und dem iit Befragten glauben, dass sich die Entwicklung der Digitaltechnik jeder Gestaltung und Kontrolle entziehe. Was machbar ist, werde auch gemacht. Und genau hier könnte auch das Gefühl herrühren, bald nicht mehr mit den Maschinen mitzukommen. 80 Prozent halten daher ein Grundeinkommen in Zukunft für nötig, und 81 Prozent sogar für wünschenswert. Ob allerdings das dafür nötige Geld eingetrieben wird, bezweifelt eine Mehrheit: 70 Prozent glauben nicht oder eher nicht, dass Maschinen künftig Sozialabgaben zahlen werden.

Die komplette Studie vom iit und Technology Review zum Download:

Zu aktuellen Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online:

(jle)