Neue Heimat Kanada

Weltweit wird an Kernreaktoren der vierten Generation geforscht, und viele der Unternehmen dahinter bemühen sich um eine frühe Zulassung in Kanada. Denn das Land bietet bessere Voraussetzungen für neue Nuklear-Technologien.

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Von
  • James Temple
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Kanadische Aufsichtsbehörden haben bekanntgegeben, dass Terrestrial Energy die erste Phase der Design-Überprüfung für seinen Flüssigsalz-Kernreaktor abgeschlossen hat. Damit sichert sich das Unternehmen aus Ontario einen kleinen Vorsprung im Rennen um den Bau des ersten Kernkraftwerks der vierten Generation in Nordamerika.

Allerdings war die jüngste Meldung nur ein kleiner Schritt in einem voraussichtlich langen regulatorischen Prozess. Im Grunde hat die Canadian Nuclear Safety Commission jetzt nur mitgeteilt, das Terrestrial seine Absicht belegt hat, die regulatorischen Anforderungen einzuhalten. Um zu beweisen, dass seine Konstruktionsentwürfe einen sicheren Betrieb in der realen Welt gewährleisten, habe das Unternehmen noch viel zu tun.

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Bis ein Reaktor von Terrestrial wirklich in Betrieb ist, dürfte es deshalb noch bis zur zweiten Hälfte des kommenden Jahrzehnts dauern. Trotzdem bezeichnen Beobachter die Mitteilung der Behörde als wichtigen Schritt in Richtung einer neuen Generation von sichereren Kernreaktoren, die billiger zu bauen und zu betreiben sein könnten.

"Es ist der größte Meilenstein seit der Gründung des Unternehmens, für uns und für die ganze Branche", sagt Simon Irish, Chief Executive Officer von Terrestrial. Als Standort für das erste Kraftwerk sind die Canadian National Labs in der Provinz Ontario vorgesehen.

Rendering des Flüssigsalz-Reaktors.

(Bild: Terrestrial Energy Inc. )

Darüber hinaus ist die Nachricht ein weiteres Beispiel dafür, wie ein anderes Land die Flüssigsalz-Technologie vorantreibt, die schon vor Jahrzehnten in den USA entwickelt wurde. Auch China betreibt ein ambitioniertes Programm für einen Flüssigsalz-Reaktor mit Thorium als Brennstoff, ebenso wie das niederländische Kernforschungszentrum NRG. Und auch andere Anbieter von Reaktoren der nächsten Generation wie Moltex aus London und Advanced Reactor Concepts aus den USA haben beschlossen, sich um eine frühzeitige Zulassung in Kanada zu bemühen.

Bei Terrestrials integriertem Flüssigsalz-Kernreaktor mit einer Leistung von 190 Megawatt kommen mehrere vielversprechende Ansätze aus der modernen Kerntechnik zusammen. Die Nutzung von geschmolzenem Salz anstelle von Wasser zur Ableitung der Hitze aus dem Spaltungsprozess gilt als inhärent sicherer, weil der Reaktor dadurch beim in der Umgebung herrschenden atmosphärischen Druck betrieben werden kann. Dies verringert die Kosten für Auffangbehälter und ermöglicht eine Kühlung, die auch bei Stromausfall noch funktioniert.

Blick auf den von Terrestrial Energy avisierten auswechselbaren Reaktorkern.

(Bild: Terrestrial Energy Inc. )

Zudem handelt es sich bei dem Reaktor um einen kleinen, modular aufgebauten. Die Komponenten können also in Serie in Fabriken produziert und dann an ihren endgültigen Standort transportiert werden, was niedrigere Baukosten und Risiken verspricht.

Terrestrial selbst entwickelt nur Technologie und verkauft Designs. Die Hoffnung des Unternehmens ist es, Vorab-Genehmigungen von den Behörden zu bekommen und seine Technologie dann an andere Unternehmen zu lizenzieren, die Bau und Betrieb der Kraftwerke übernehmen.

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Auch in den USA gibt es Projekte im Bereich von Flüssigsalz-Reaktoren und anderen modernen Nuklear-Technologien, unter anderem am MIT Nuclear Reactor Laboratory und bei dem aus der Universität ausgegründeten Unternehmen Transatomic. Bislang aber wurden dort keine Flüssigsalz-Reaktoren für eine Design-Zertifizierung bei der U.S. Nuclear Commission angemeldet (NuScale allerdings hat eine Genehmigung für einen kleinen modularen Reaktor beantragt).

Der Zulassungsprozess in den USA gilt als der "Gold-Standard" für Sicherheit in der Nukleartechnik. Manche Start-ups und Forscher finden jedoch, dass er fortgeschrittene Technologien nicht ausreichend berücksichtigt. Eine konkrete Kritik lautet, dass die US-Behörden keine frühzeitigen Rückmeldungen geben, mit denen die Unternehmen regelmäßig das regulatorische Risiko einschätzen können, bevor sie hunderte Millionen Dollar in die weitere Entwicklung investieren.

Der Prozess in Kanada ist besser definiert und bietet eine Reihe von früheren offiziellen Einschätzungen, sagt Ryan Fitzpatrick, stellvertretender Direktor für saubere Energien bei der Denkfabrik Third Way. Laut Fitzpatrick bewerten die kanadischen Behörden Designs auf der Grundlage von allgemeinen Sicherheitsgrundsätzen statt nach konkreten technischen Anforderungen. Dies bedeute mehr Flexibilität für die verschiedenen Arten von neu entwickelten Technologien.

(sma)