Digitalisierung für Afrika: "Viel zu starker Glaube an die Macht des Marktes"

Seit Jahren gelten mobiles Internet und dezentrale Energie als große Chance für den afrikanischen Kontinent. Der Professor für Internationale Entwicklung Calestous Juma hält das für einen Trugschluss.

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Entwicklungsökonomie: "Viel zu starker Glaube an die Macht des Marktes"

Zeichen des Aufschwungs oder Folklore? Diese drei Bäume sind eigentlich Mobilfunkmasten. Sie stehen in einem Nationalpark nahe der Victoriafälle in Sambia.

(Bild: Kumar Sriskandan / Alamy)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Katja Scherer

Landwirte, die mithilfe von mobilen Wetterdiensten bessere Ernten einfahren, und Familien, die per SMS Überweisungen tätigen können. Solaranlagen auf Dächern, die ein teures Stromnetz überflüssig machen. Kaum ein Thema weckt so viel Hoffnung unter Entwicklungshelfern, Ökonomen und Politikern wie das sogenannte Leapfrogging. Dahinter steckt die Überzeugung, dass ärmere Länder dank neuer Technologien die Phase der Industrialisierung auslassen und direkt in der digitalen Moderne landen – und so den ökonomischen Rückstand zum Rest der Welt aufholen können.

TR 12/2017

Technology Review 12/2017

(Bild: 

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Der Text stammt aus der Dezember-Ausgabe von Technology Review (ab 9.11. im Handel und im heise shop erhältlich). Weitere Artikel des Hefts:

"Für schlicht unmöglich" hält dies allerdings Calestous Juma. Er lehrt Internationale Entwicklung an der Harvard Kennedy School in Cambridge, USA, und berät die Afrikanische Union in Innovationsfragen. "Allein durch die sogenannte mobile Revolution werden die afrikanischen Länder ihren ökonomischen Rückstand niemals aufholen können", sagt er im Interview mit Technology Review (die aktuelle Ausgabe ist jetzt im Handel und im heise shop erhätlich).

Der kenianische Bezahldienst M-Pesa, der das Überweisen per SMS ermöglicht, hat inzwischen zwar 30 Millionen Nutzer in zehn Ländern und braucht kein teures Filialnetz. Das Unternehmen M-Kopa hat mit seiner Solaranlage für den Hausgebrauch eigenen Angaben zufolge mehr als 500.000 Haushalten Zugang zu günstigem Strom gebracht. Doch daraus entstehe noch lange kein Wirtschaftswunder, meint Juma: "Länder wie Südafrika und Nigeria haben gerade die stärkste Rezession seit zwei Jahrzehnten hinter sich – ohne dass die mobile Revolution das hat verhindern können."

Firmen mit rein digitalen Geschäftsmodellen schaffen relativ wenige Arbeitsplätze und suchen vor allem hoch qualifizierte Mitarbeiter. Die Google-Mutter Alphabet etwa beschäftigte Ende vergangenen Jahres weltweit rund 72000 Mitarbeiter. General Motors dagegen 215.000 Mitarbeiter – und das, obwohl der Börsenwert des Autobauers nur ein Dreizehntel beträgt. "Afrika aber braucht vor allem eines: Jobs."

Deshalb müsse der Kontinent endlich daran gehen, eine funktionierende Industrieproduktion und eine bessere Infrastruktur aufzubauen – "anstatt immer nur auf die angeblichen Erfolge des Leapfrogging zu verwiesen". Leider investiere der Staat dort viel zu wenig, "weil es in Afrika einen viel zu starken Glauben an die Macht des Marktes" gebe. "Der Staat erwartet zum Beispiel, dass private Investoren Straßen oder Krankenhäuser bauen – obwohl offensichtlich ist, dass das nicht funktionieren kann." Schuld dafür trage auch der Westen: Institutionen wie die Weltbank haben die afrikanischen Länder lange Zeit dazu angehalten, ihre staatlichen Ausgaben zurückzufahren.

Das ausführliche Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Technology Review (jetzt im Handel und im heise shop).

(jle)