Schluckt das!

In den USA ist die erste smarte Pille zugelassen. Ein Sensor verrät dem Arzt, ob man die Tablette auch brav geschluckt hat.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.

Die Idee klingt zunächst bestechend: Das US-Unternehmen Proteus Digital Health hat Sensoren entwickelt, die überwachen, ob ein Patient die ihm verschriebenen Medikamente auch wirklich schluckt.

Jede Tablette enthält einen Chip, so klein wie ein Sandkorn, gekapselt in einer dünnen Goldschicht, der zwischen zwei ebenso kleinen Schichten Kupferchlorid und Magnesium eingeklemmt ist. Gelangt die Tablette in den Magen verhält sich das System durch die Magensäure ähnlich wie eine Kartoffel-Batterie: Zwischen der Kupfer- und der Magnesiumschicht entsteht eine Spannung, die einen Stromfluss durch den Chip erzeugt. Der sendet daraufhin ständig eine Codenummer, in der der Wirkstoff und die Dosis des Medikamentes codiert ist. Ein Sensor-Armband fängt die Signale auf, und leitet sie an eine Smartphone-App weiter. Das ist technisch durchaus beeindruckend.

Jetzt hat die zuständige US-Behörde, die FDA, die Chip-Tabletten erstmals auf den Markt gelassen. Die Ironie der Geschichte ist allerdings: Die Zulassung erfolgt ausgerechnet für ein Medikament gegen Schizophrenie: Abilify. Patienten, die Gott und der Welt sowieso misstrauen, müssen mit dem Gefühl leben, permanent unter Beobachtung zu stehen. Ob das wirklich eine gute Idee ist?

Meine erste Assoziation zu dem Artikel in der New York Times war jedenfalls, dass solch eine an sich harmlose Technologie auch ein enormes Missbrauchspotenzial bietet. Liegt möglicherweise daran, dass ich gerade die falschen Bücher lese. Apocalypse Now Now von Charlie Human beispielweise, das genial mit der schmalen Grenzlinie zwischen dem Wahnsinn im eigenen Kopf und dem Wahnsinn der Welt spielt. Oder Afterparty von Daryl Gregory: Ein SF-Roman, in dem es um eine neue Generation von "Smart Drugs" geht. Eine davon ist Numen, das eigentlich entwickelt wurde, um Schizophrenie zu behandeln, aber das Zeug hat eine interessante Nebenwirkung: Wer es einnimmt, findet seinen ganz persönlichen Gott...

Ok, das eine ist Science Fiction, aber das hier ist Realität. Eine Realität, in der bewusstseinsverändernde Medikamente und Informationstechnik eine beunruhigende Allianz eingehen. Dosierung und Wirkstoff beispielsweise müssen wirklich mit der Information im Chip übereinstimmen. Das ist aber nur dann sicher gestellt, wenn alle Beteiligten wirklich vertrauenswürdig sind. Was, wenn das Medikament höher dosiert wird, aber die App dem Patienten vorgaukelt, alles sei wie immer? Was, wenn die Technologie dazu verwendet wird, renitente, oder gewalttätige Patienten garantiert ruhig zu stellen? Bin ich ein bisschen paranoid, weil mir das Sorgen bereitet?

(wst)