Gegen BND-Überwachung: Reporter ohne Grenzen rufen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an

Nachdem Reporter ohne Grenzen mit ihrer Klage gegen den BND-Datenstaubsauger vor deutschen obersten Gerichten erfolglos blieb, trägt die Organisation diese nun vor den Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte.

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Reporter ohne Grenzen rufen Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an
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Die Aktivisten von Reporter ohne Grenzen (ROG) lassen mit ihrer Klage gegen die "strategische Fernmeldeüberwachung" durch den Bundesnachrichtendienst (BND) nicht locker. Die zivilgesellschaftliche Organisation hat ihre Beschwerde gegen die Massenüberwachung jetzt vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gebracht. Zuvor war sie mit einem einschlägigen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht weitgehend gescheitert. Auch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht blieb erfolglos: Die Karlsruher Richter nahmen die entsprechende Verfassungsbeschwerde mit einem Beschluss von Ende April nicht zur Entscheidung an.

ROG wirft dem Auslandsgeheimdienst vor, im Zuge seiner heftig umstrittenen Überwachungspraktiken den E-Mail-Verkehr der Organisation mit ausländischen Partnern, Journalisten und anderen Personen ausgespäht zu haben. Es bei den Klagen vor allem um Befugnisse aus dem sogenannten G10-Gesetzes, das dem BND umfangreiche Eingriffe ins Fernmeldegeheimnis erlaubt, das in Artikel 10 Grundgesetz verankert ist. So dürfen die Spione etwa einen Datenstaubsauger einsetzen, um den internationalen Telekommunikationsverkehr mithilfe bestimmter Suchbegriffe und sonstiger Selektoren zu durchforsten.

Reporter ohne Grenzen wirft dem BND vor, E-Mails Organisation ausspioniert zu haben.

(Bild: BND)

Die bislang angerufenen obersten deutschen Gerichte sahen ihre Hände gebunden, da ROG nicht habe glaubhaft machen können, dass die Organisation selbst von der BND-Bespitzelung betroffen war. Der geforderte Nachweis ist wegen der Geheimniskrämerei bei dem Nachrichtendienst schwer zu erbringen. In der Klageschrift an den EGMR führt die Vereinigung nun an, dass der BND ihr Recht auf Achtung der Korrespondenz sowie des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß den Artikeln 8 und 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt habe. Die ausufernden Suchkriterien des Geheimdienstes führten zu einer durch den mutmaßlichen Zweck der Maßnahmen keinesfalls gedeckten Reichweite der Eingriffe.

Darüber hinaus macht Reporter ohne Grenzen geltend, in ihrem Recht auf wirksame Beschwerde verletzt worden zu sein. Der weitaus größte Teil der Betroffenen erfahre nicht einmal im Nachhinein etwas davon, "dass ihre E-Mails erfasst und durchsucht werden", schreibt die Organisation. Selbst die Allgemeinheit werde mit den jährlichen Berichten des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags regelmäßig erst dann über Überwachungsmaßnahmen informiert, wenn sogar entscheidende Protokolldaten schon gelöscht worden seien. Klagen dagegen vor deutschen Gerichten seien unter den aufgeführten Umständen unmöglich.

"Die ausufernde Überwachungspraxis des BND stellt die Vertraulichkeit digitaler Kommunikation grundsätzlich in Frage und untergräbt damit eine Voraussetzung journalistischer Recherche", begründete ROG-Geschäftsführer Christian Mihr den neuen Schritt. Jetzt sei es an den Straßburger Richtern, "dem Grundrecht auf Rechtsschutz vor der anlasslosen und unverhältnismäßigen BND-Massenüberwachung endlich zur Geltung zu verhelfen". Parallel ist der Teil der ursprünglichen Klage gegen das vom BND geführte Metadaten-Analysesystem Veras weiter anhängig; auch eine Verfassungsbeschwerde von Amnesty International gegen den Datenstaubsauger der Schlapphüte läuft noch.

Der EGMR beschäftigt sich parallel mit Klagen von Bürgerrechtlern und Nichtregierungsorganisationen gegen die gegen die Internet- und Computerspionage des britischen Geheimdiensts GCHQ. Zu den Beschwerdeführern gehören hier unter anderem Provider, Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC) sowie Privacy International. Eine Anhörung dazu fand Anfang November statt, bei der die Richter die Hacking-Methoden der Londoner Behörde hinterfragten. Mit einem Urteil des Menschengerichtshof in diesen Fällen ist 2018 zu rechnen. (it)