Marsreisen sind schlecht fürs Gehirn

Der negative Effekt fehlender Schwerkraft auf die Muskeln des Menschen ist bekannt. Astronauten müssen sich aber auch Sorgen um ihre Hirnleistung machen, wenn deutsche und amerikanische Forscher Recht behalten.

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Wer als Astro- oder Kosmonaut längere Zeit in der Mikrogravität der Internationalen Raumstation ISS verbringt, weiß, dass er sich über das übliche Maß hinaus sportlich betätigen und seine Muskeln stählen muss – es droht sonst eine Atrophie des gesamten menschlichen Bewegungsapparats.

Allerdings nicht nur das. Auch andere, noch wichtigere Organe können außerhalb der natürlichen Schwerkraft des Planeten leiden, was problematische Konsequenzen für besonders lange Weltraumreisen haben könnte, etwa eine in den nächsten Jahrzehnten geplante Mission zum Mars.

Eine Gruppe von Wissenschaftlern an der Medical University of South Carolina (MUSC) und am Universitätsklinikum Frankfurt hat nun festgestellt, dass die Mikrogravität der ISS Veränderungen im Gehirn von Astronauten hervorrufen kann. Dass zur Erde zurückgekehrte ISS-Bewohner unter anderem Probleme beim Sehen sowie im Bereich von Migräne haben können, war schon seit längerem bekannt. Der Auslöser dieser Symptomatik war aber unklar.

Für ihre Untersuchung konnten die Wissenschaftler Hirnscans von insgesamt 34 Astronauten auswerten, von denen 18 einige Wochen an Bord es Space Shuttles der NASA sowie 16 im Schnitt drei Monate an Bord der ISS verbracht hatten. 94 Prozent der ISS-Bewohner zeigten Veränderungen der Hirnstruktur. So war die Zentralfurche (Sulcus centralis) enger als bei einer Kontrollgruppe und zudem verschob sich das Gehirn selbst offenbar stärker nach oben in Richtung Schädel. Weniger schlimm bis nicht sichtbar war der Effekt beim Kurzaufenthalt im Space Shuttle.

Die Gefahr besteht, dass ein längerer Aufenthalt in fehlender Schwerkraft dazu führt, dass Astronauten Sehstörungen und schließlich sogar einen Kontrollverlust erleiden. "Sollten sich diese Effekte als nachhaltig herausstellen, könnte beispielsweise eine bemannte Mission zum Mars nicht in der bisher geplanten Form durchführbar sein", heißt es in einem Statement des Universitätsklinikums Frankfurt.

Gefahr für Marsreisende droht nicht nur durch die fehlende Schwerkraft. Auch Weltraumstrahlung kann zu massiven Schädigungen des Körpers führen, etwa der Entwicklung von Krebs. Eine mögliche Lösung für das Gravitätsproblem bestünde darin, sie durch Zentrifugalkräfte zu simulieren. Ob das ausreicht, ist aber unklar – die künstliche Schwerkraft dürfte in absehbarer Zeit wohl kaum erfunden werden.

Bislang noch nicht geklärt ist, ob die Effekte auf das Gehirn und den restlichen Körper anhalten oder sich nach einer gewissen Zeit im All stabilisieren. Negative Auswirkungen auf das Immunsystem des Menschen gelten als belegt. Veränderungen gibt es daneben auch im Stoffwechsel, der Herzfunktion, der Knochendichte und im Atmungssystem. Die meiste Erfahrung mit langen Weltraumaufenthalten hat die Russische Föderation. Waleri Wladimirowitsch Poljakow, geboren in Tula, blieb fast 438 Tage an Bord der Raumstation MIR und ist damit Weltrekordhalter. Insgesamt verbrachte er über 678 Tage im All.

(bsc)