Wilde Tiere in der Stadt: Tipps für die Foto-Pirsch vor der eigenen Haustür

Wer Wildtiere fotografieren möchte, muss nicht durch Wald und Flur streifen – schließlich bevölkern Fuchs und Hase mittlerweile auch die Städte. Tierfotografin Viola Hermann gibt Einblicke in ihre Arbeitsweise und die Entstehungsgeschichten ihrer Bilder.

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Workshop: Fotografie im Urban Wildlife

(Bild: Viola Hermann)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Viola Hermann
  • Markus Montz

Immer mehr Wildtiere ziehen heute die Großstadt dem vermeintlich grünen Umland vor. In Städten finden sie zahllose Strukturen, die als Unterschlupf dienen und vor allem ausreichend Nahrungsquellen bieten. Als Fotografen können wir uns den Artenreichtum und die geringere Fluchtdistanz der Tiere zunutze machen. Tierfotografin Viola Hermann gibt Einblicke in ihre Arbeitsweise und die Entstehungsgeschichten ihrer Bilder.

Wie habe ich das Urban Wildlife für mich entdeckt?
Viola Hermann: Eigentlich war es Zufall. Während eines Spaziergangs stand plötzlich ein Fuchs unmittelbar vor mir. Dieses Erlebnis war so prägend, dass ich fortan nur noch Wildtiere aus nächster Nähe fotografieren wollte. Anfangs hatte ich die recht naive Vorstellung, künftig einfach nur diesen einen Ort aufsuchen zu müssen, um mein Erlebnis zu wiederholen – doch weit gefehlt. Neun Monate lang wurde meine Geduld auf die Probe gestellt, bis ich endlich weitere Füchse entdeckte. Währenddessen fielen mir eine Vielzahl anderer Motive auf: Eichhörnchen, Raubvögel, Insekten, Igel, Wildschweine …

Wo finde ich wildlebende Tiere in der Stadt?
Eigentlich überall. Ich persönlich bevorzuge die naturnahe Umgebung – beispielsweise von Parks, Laubenkolonien oder Kanälen. Aber auch auf den Hinterhöfen der Innenstadt sind Wildtiere unterwegs. Selbst auf dem Berliner Alexanderplatz kann man nachts Füchse und Ratten bei ihren gemeinsamen Treffen an den Mülltonnen beobachten – ein Anblick, der allerdings Geschmackssache ist.

Welche Ausrüstung brauche ich?
Zunächst etwas, das Sie zu Hause lassen sollten: Tarnzelt und Tarnkleidung sind überflüssig. Die Tiere wissen, wie Menschen aussehen. Sie leben auf engem Raum mit uns und werden sich auch dann nähern, wenn Sie eine rote Jacke tragen oder einen neongelben Regenschutz über den Rucksack ziehen.
Stattdessen sollte die Ausrüstung praktisch und dem Wetter angepasst sein. Dazu empfehle ich im Sommer eine Wasserflasche und Sonnenschutz, im Winter ein warmes Getränk und eine Decke. Die Kamera der Wahl ist eine digitale Spiegelreflexkamera oder eine spiegellose Systemkamera. Ich selbst habe das MFT-System Olympus E-M1 oder E-M1 Mark II im Einsatz. Ein Tele ist bereits angesetzt (300 mm = 600 mm Kleinbild-Äquivalent), eine kürzere Brennweite befindet sich im Rucksack. Ich fotografiere ausschließlich aus der freien Hand; da ich schnell reagieren muss, würde ein Stativ mich zu sehr einschränken.

Workshop: Fotografie im Urban Wildlife (12 Bilder)

Eichhörnchen in den üblichen Haltungen auf Bäumen sitzend oder kopfüber am Stamm hängend zu fotografieren, ist grundsätzlich recht einfach. Trotzdem kann man ein wenig Abwechslung schaffen: Die Tiere erstarren häufig für einen kurzen Augenblick, sofern sie etwas wittern. Das wäre beispielsweise eine Gelegenheit, den Versuch einer Detailaufnahme mit Spiegelung im Auge zu probieren.


Olympus E-M1 | 300 mm | ISO 1000 | f/4.0 | 1/800 s
(Bild: Viola Hermann)

Welche Strategie hilft mir vor Ort?
Das Wort, um das sich alles dreht, ist Geduld. Suchen Sie sich einen schönen Platz und beobachten Sie Ihr Umfeld. Mir gibt häufig ein Geräusch Veranlassung, in eine bestimmte Richtung zu sehen. Doch es muss nicht gleich das Wunschtier sein, das sich zeigt, und es gibt auch Tage, an denen gar nichts passiert. Aber die Belohnung wird irgendwann folgen. Vertrauen Sie während Ihrer ersten Tierkontakte ruhig der Kameraautomatik und sammeln Sie zunächst Erfahrung mit dem Motiv. Wenn die ersten Aufnahmen gemacht sind, können Sie sukzessive auch Ihr technisches Wissen zum Einsatz bringen.

Wie gehe ich an die Nachbearbeitung?
Wichtiger als ein technisch perfektes Foto ist für mich ein emotionsstarker Ausdruck über den Blick, die Mimik oder Körperhaltung des Tieres – es soll bestenfalls erkennbar sein, was gerade in ihm vorgeht. Jedes Bild sollte eine kleine Geschichte erzählen können. Mein Rat: Begrenzen Sie die Nachbearbeitung auf ein Minimum und versuchen Sie besser schon bei der Aufnahme ein Stück Lebendigkeit einzufangen.

Last but not least ...
Die Achtung von Tier und Natur sollte immer über dem Foto stehen. Ich achte deshalb beispielsweise sehr darauf, nicht unbedacht Pflanzen zu zertreten. Jede – und sei sie noch so klein – ist ein Stück Lebensraum. Ebenso vergewissere ich mich stets, nicht versehentlich ein Tier in die Enge zu treiben oder gar einem Muttertier den Weg zu ihren Jungen zu versperren. Ich verzichte außerdem bewusst auf den Einsatz von Blitzen, Lichtschranken und deren automatische Fernauslöser. Schließlich möchte niemand, auch kein Tier, aus der Finsternis heraus plötzlich hell angestrahlt werden.

Die Autorin:
Viola Hermann, Jahrgang 1966, ist waschechte Berlinerin. Bereits mit 14 Jahren entdeckte sie ihre Liebe zur Fotografie – nach der Analogkamera des Vaters und diversen Kompaktgeräten seit 2004 auch digital; zunächst mit einer Nikon, seit 2014 mit MFT-Kameras von Olympus. Beruflich als Bankerin unterwegs, lebt Viola Hermann mit ihrer Familie in einem Berliner Außenbezirk, wo sie ihre Affinität zu Natur und Metropole perfekt verbinden kann. Ihre Bilder präsentiert sie nicht nur regelmäßig in der c't-Fotogalerie, sondern auch auf ihrer eigenen Webpräsenz unter violahermann.de. (mon)