Wochenmarkt 4.0: Wie Erzeuger ihre Produkte im Internet verkaufen

Direktvermarkter von Agrarprodukten umgehen den Preisdruck der großen Handelskonzerne. Um neue Kunden hinzuzugewinnen, setzen einige inzwischen auch auf das Internet. Plattformen wie pielers.de und marktschwaermer.de bündeln die Angebote.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 27 Kommentare lesen
Wochenmarkt, Gemüse

(Bild: Brigitte Wagner, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Janet Binder
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Die über 300 Angus-Rinder und Wasserbüffel auf dem "Hof am Meer" in der Wesermarsch bekommen nur Gras zu fressen – im Sommer auf der Weide, im Winter in getrockneter Form. Liebhaber mögen den besonderen Fleischgeschmack. Angus-Braten oder Büffelhackfleisch aus Norderschwei werden in keinem Supermarkt angeboten, die Betreiber Bianca und Michael Theerkorn setzen auf den Direktvertrieb. Verkauft wird im Hofgeschäft, auf Wochenmärkten in der Region, an die Gastronomie – und über das Internet. "Wir liefern bundesweit, sogar bis nach Österreich", sagt Michael Theerkorn.

So wie der "Hof am Meer" machen es immer mehr Direktvermarkter. Die Onlinevermarktung wird nach Angaben des Netzwerks Ländliche Räume für die Betriebe zunehmend wichtiger. In den Großstädten sind Biokisten beliebt, die im Internet bestellt und von den Erzeugern nach Hause geliefert werden. Der Nachteil: Der Kunde hat nur einen eingeschränkten Einfluss auf den Inhalt.

Auf der Internetplattform "Pielers" können die Kunden dagegen jede gewünschte Ware anklicken - eine Art Wochenmarkt 4.0. "Piel" heißt im Plattdeutschen "direkt". Gegründet wurde Pielers vor einem Jahr von der Volkswirtin Julia Köhn aus Geestland. Rund 50 Produzenten rund um Bremerhaven bieten darüber inzwischen vom Bauernschwarzbrot über den Apfelsaft bis zu Krabben ihre Produkte an. Der Kunde kann per Mausklick auf einem digitalen Marktplatz bei mehreren Anbietern einkaufen. "Er bekommt aber nur eine Rechnung", sagt Köhn.

Das Konzept sieht vor, dass Verbraucher aus der Region die Möglichkeit haben, das ganze Sortiment zu bestellen; wer weiter weg wohnt, bekommt nur länger Haltbares geliefert. "Die Gurke ist ein hyperregionales Produkt, es macht keinen Sinn, sie bis nach München zu schicken", betont Julia Köhn. Im nächsten Jahr will sie Erzeuger aus ganz Deutschland auf ihre Plattform holen und so das Angebot erweitern. Köhn nimmt eine Vermittlungsgebühr und sorgt dafür, dass die Logistik funktioniert. Die Kunden schätzten die Qualität der Produkte und die Zeitersparnis.

Gründerin Köhn kommt aus der Unternehmensberatung. Beruflich waren sie und ihr Mann sehr eingebunden, so dass kaum Gelegenheit da war, frische und hochwertige Lebensmittel aus der Region zu kaufen. So kam sie auf die Idee, die Internetplattform pielers.de ins Leben zu rufen. Die meisten Produzenten, die Köhn ansprach, hatten bereits einen eigenen Internetshop. Sie sehen Pielers als zusätzlichen Vertriebsweg, so wie der "Hof am Meer".

Bei anderen Erzeugern leistete Köhn Pionierarbeit, wie bei der älteren Bäuerin, die ihr am Anfang "fürs Internet" eine Kiste Spargel mitgeben wollte. "Sie kennt sich nicht aus mit der Digitalisierung, kann durch uns aber daran teilnehmen", meint Köhn. Inzwischen schicke ihr die Landwirtin per Smartphone Fotos von ihrer Ware, damit sie auf Pielers veröffentlicht werden können.

Doch nicht immer sind Direktvermarkter so aufgeschlossen wie die Bäuerin. Die Vereinigung norddeutscher Direktvermarkter zählt rund 100 Mitgliedsbetriebe. Die meisten schreckten vor der Mehrarbeit durch das Internetgeschäft zurück, sagt Geschäftsstellenleiterin Elke Sandvoß. "Die wenigsten haben einen eigenen Onlineshop."

Eher verhalten sei insgesamt auch das Interesse an der Plattform "Marktschwärmer", erklärt Sandvoß. Die Idee dafür kommt aus Frankreich: Der Kunde bestellt und bezahlt online die Ware beim Erzeuger. Die Lebensmittel holt der Verbraucher einmal pro Woche an einem Ort – "Schwärmerei" genannt –ab; zur Ausgabe reisen alle Produzenten an. "So können die Kunden mehr über die Produkte erfahren, als das, was im Netz steht", sagt Sandvoß. Bundesweit gibt es aber erst wenige gut funktionierende Marktschwärmereien, im Frühjahr 2018 entsteht eine neue in Hannover-Ahlem.

Michael und Bianca Theerkorn könnten sich einen Vertrieb ohne das Internet nicht vorstellen. Immerhin sei die Gewinnspanne dabei größer als beim Verkauf auf dem Markt - auch wenn der Aufbau des Onlineshops eine fünfstellige Summe gekostet habe. "Man braucht für den Erfolg aber einen langen Atem", sagt Michael Theerkorn. "Kunden müssen einen erstmal im Internet finden." Aber es gebe genügend Verbraucher, die online nach besonderen Produkten Ausschau hielten. "Wenn wir einen Kunden gewinnen, dann behalten wir ihn auch." (jk)