US-Kongress verlängert NSA-Befugnis zur Massenüberwachung

Die US-Volksvertreter haben sich drei Wochen mehr Zeit gegeben, um über eine Reform einer Kernklausel für die Überwachung "ausländischer Kommunikation" durch die NSA zu entscheiden. Bürgerrechtler und Geheimdienstler machen Druck.

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US-Kongress verlängert NSA-Befugnis zur Massenüberwachung

(Bild: pixabay.com)

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Eigentlich sollte der seit Langem umkämpfte Paragraf 702 des Foreign Intelligence Surveillance Acts (FISA) Ende des Jahres auslaufen. Doch der US-Kongress hat laut Berichten von Medien und Bürgerrechtlern am Donnerstag im Rahmen eines allgemeinen Gesetzes zur Sicherung des Bundeshaushalts für das kommende Jahr beschlossen, den Gesetzesabschnitt zunächst bis zum 19. Januar 2018 in Kraft zu lassen. Bis dahin wollen die Volksvertreter eine längerfristige Lösung zur Reform der Klausel finden, die der NSA weitreichende Befugnisse zur Überwachung "ausländischer Kommunikation" in die Hand gibt.

Abschnitt 702 FISA war neben der mit dem "USA Freedom Act" bereits 2015 überarbeiteten zweiten Überwachungsklausel in Form von Paragraf 215 Patriot Act mit den Snowden-Enthüllungen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Er dient der NSA als Gesetzesbasis für die weitreichenden Überwachungsprogramme Prism und Upstream, mit der sich der technische US-Geheimdienst massenhaft Daten von Internetfirmen beziehungsweise aus Glasfaserleitungen wie Unterseekabeln beschafft. Voraussetzung dafür ist allein eine allgemeine Erlaubnis des für die Auslandsaufklärung zuständigen Geheimgerichts, des Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC).

Die NSA hatte das auf Paragraf 702 FISA aufbauende Upstream-Programm im April auf Druck des FISC hin selbst etwas eingeschränkt. Sie stoppte damals nach eigenen Angaben eine Extremform der Rundumüberwachung (aboutsurveillance), mit der auch die Kommunikation unbeteiligter Dritter anhand gewisser Selektoren und Suchbegriffe im – offiziell geleugneten – Datenstaubsauger des Geheimdiensts landete. Damit soll verhindert werden, dass Informationen über US-Bürger oder Ausländer in den großen Analysetopf der NSA gelangen, die nicht direkt in Kontakt etwa mit einem Terrorverdächtigen stehen.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses brüten nun seit Wochen über verschiedenste Optionen zur Zukunft des Gesetzesabschnitts. Die eine Seite ist dafür, den Text und die damit verbundenen Kompetenzen unverändert und unbefristet festzuschreiben. Die andere plädiert für Änderungen, die den Datenschutz für US-Bürger verbessern und die gerichtliche Kontrolle stärken würden. Am aussichtsreichsten schien in den vergangenen Tagen ein Reformvorschlag des Republikaners Devin Nunes, der den Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses leitet. Er sah vor, dass das FBI eine Gerichtsanordnung erwirken müsste, um Kommunikationsinhalte von US-Bürgern einsehen zu können, die als "Beifang" im Filter mit hängenbleiben.

Bürgerrechtler etwa von der American Civil Liberties Union (ACLU) oder der Electronic Frontier Foundation (EFF) fordern, dass der Kongress die Klausel ganz auslaufen lässt oder zumindest deutlich mehr Hürden für ein massenhaftes Ausspähen insbesondere von US-Bürgern aufstellt. Auch die IT-Branche macht sich für eine gezieltere Spionage stark.

US-Justizminister Jeff Sessions, FBI-Direktor Christopher Wray, Geheimdienstkoordinator Dan Coats, CIA-Direktor Mike Pompeo und NSA-Chef Mike Rogers warnten dagegen in einer gemeinsamen Erklärung am Donnerstag, dass es "keinen Ersatz" für den Paragrafen gebe. Sollte der Gesetzgeber diesen nicht aufrechterhalten, wäre ein wichtiges Instrument zum Sammeln von Informationen über "internationale Terroristen und andere fremde Gegner" verloren, das Land würde damit unsicherer.

Jedes einzelne Gericht, das die Anwendung der Klausel und damit ermöglichte Datenanalysen geprüft habe, "hat sie verfassungsgemäß eingeschätzt", schreiben die Geheimdienstspitzen und der Minister. Paragraf 702 und die darauf basierenden Überwachungsprogramme sind aber nach wie vor größtenteils eine Black Box. Es ist nach wie vor nicht genau bekannt, welche Datenmengen die NSA darüber momentan akquiriert und ob das Prozedere tatsächlich mit der US-Verfassung in Einklang zu bringen ist. Die Abgeordneten werden folglich so oder so auch im Januar über ein Instrument entscheiden, über dessen Ausmaß sie weitgehend im Dunkel gehalten werden. (ps)