Maschinenlernen mit Quantencomputern

Forscher gehen davon aus, dass praktisch nutzbare Quantencomputer enorm nützlich sein könnten. Wofür genau, ist noch weitgehend offen, doch ein Start-up bringt jetzt besseres Maschinenlernen als Anwendung ins Spiel.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Will Knight
Inhaltsverzeichnis

Ein kalifornisches Unternehmen hat bewiesen, dass sich eine exotische und möglicherweise revolutionäre Art von Computern für eine verbreitete Form des Maschinenlernens einsetzen lässt. Der Erfolg weckt die Hoffnung, dass Quantencomputer, die auf Grundlage der unlogisch scheinenden Gesetze der Quantenphysik bestimmte Berechnungen absurd schnell erledigen können, große Bedeutung in einem der heißesten Bereiche der Technologiebranche bekommen könnten: künstliche Intelligenz.

Mehr Infos

Forscher bei Rigetti Computing in Bekeley nutzten einen ihrer Prototypen-Quantenchips, um einen so genannten Clustering-Algorithmus auszuführen. Clustering bezeichnet eine Maschinenlern-Technik, mit der Daten in ähnliche Gruppe einsortiert werden. Rigetti will seinen neuen Quantenrechner, der mit 19 Quantenbits oder Qubits arbeitet, auch über seine Plattform für Cloud-Computing namens Forest verfügbar machen.

Allerdings bedeutet die Vorführung noch nicht, dass Quantencomputer das Feld der KI revolutionieren werden. Quantencomputer sind so exotisch, dass niemand richtig weiß, was ihre Killer-Anwendung sein könnte. Der Algorithmus von Rigetti zum Beispiel hat keinen besonderen Nutzen, und auch wie sinnvoll es allgemein wäre, Clustering-Aufgaben von einem Quantencomputer lösen zu lassen, ist noch offen.

Trotzdem sieht Will Zeng, Leiter Software und Anwendungen bei Rigetti, seine Arbeit als entscheidenden Schritt zum Bau eines Quantenrechners. „Das ist ein neuer Weg zu praktischen Anwendungen für Quantencomputern“, sagt er. „Clustering ist ein wirklich grundlegendes mathematisches Problem. Niemand hat bislang gezeigt, dass das möglich ist.“

Um die Bemühungen um den Bau eines in der Praxis nutzbaren Quantencomputers herrscht derzeit bemerkenswerte Aufregung. Große Technologieunternehmen wie IBM, Google, Intel und Microsoft sowie einige gut finanzierte Start-ups wetteifern um den Bau von exotischen Maschinen, die eine vollkommen neue Art des Computing ermöglichen sollen.

Quantencomputer, erstmals erträumt von Physikern vor fast 40 Jahren, verarbeiten Informationen nicht in Form von binären Nullen und Einsen. Stattdessen nutzen sie zwei Quantenphänomene – Überlagerung und Verschränkung –, um Berechnungen an großen Mengen an Daten gleichzeitig vorzunehmen. Die Eigenheiten der Quantenphysik sorgen dafür, dass ein Computer mit nur 100 Qubits für atemberaubende Leistungen ausreichen würde.

Allmählich erreichen Quantencomputer eine Größe, ab der sie Aufgaben erledigen können, die mit konventionellen Supercomputern nur sehr schwierig oder sogar unmöglich zu lösen wären. Das Rennen darum, an diesen auch als „Quanten-Überlegenheit“ bezeichneten Punkt zu kommen, ist in vollem Gang. Physiker sind sich einig darüber, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis Quantencomputer und die auf ihnen laufenden Algorithmen ihre Nützlichkeit belegen werden.

Laut Christopher Monroe, einem Experimentalphysiker an der University of Maryland und Chefwissenschaftler des Quantencomputer-Startups IonQ, ist es noch zu früh, um zu behaupten, dass die neuartigen Rechner das Maschinenlernen verändern werden. „Wir wissen nicht wirklich, wie und warum klassisches Maschinenlernen funktioniert. Zusammen mit Quantencomputern würde das nur bedeuten, ein ohnehin schon verwirrendes Gebiet noch verwirrender zu machen“, sagt er.

Gleichzeitig spricht er eine interessante umgekehrt Möglichkeit an: Maschinenlernen könnten eine entscheidende Rolle dabei spielen, Quantencomputer zuverlässiger zu machen. „Die zunehmende Komplexität von Kontrollsystemen für große Quantencomputer könnte einen neuen Ansatz erfordern“, erklärt er. Also werde klassisches Maschinenlernen vielleicht dazu genutzt werden, um die komplexen Vorgänge in Quantencomputern zu steuern.

Scott Aaronson, Leiter des Quantum Information Center an der University of Texas, erwartet nach eigener Aussage durchaus, dass Quantencomputing in Zukunft manche Arten des Maschinenlernens beschleunigen wird. Um zu wissen, wie wertvoll das konkret sein könnte, sei allerdings noch weitere Arbeit erforderlich.

(sma)